Die Aufsteigerin
Freunden geschehen.
Jack schäumte vor Wut auf die Italiener, aber auch auf Eamonn. »Die ganze Scheiße wegen einem verdammten Fick!«, waren die Worte, die sie wieder und wieder zu hören bekamen. Allmählich schlug sich Petey auf die Seite seines Bruders. Die ganze Scheiße nur wegen einer Frau, das war doch wohl übertrieben
- zumal es noch nicht mal eine irische und auch keine schwarze Muschi war.
Paul Santorini beruhigte sich allmählich. Im Ravenite Club trank er einige Grappa und wartete darauf, dass sein Opfer endlich aufgespürt war. Er wusste, dass er unter seinen Kumpanen bereits zum Gespött geworden war, obwohl sie niemals gewagt hätten, es sich innerhalb der vier Wände seines Clubs anmerken zu lassen. Er wusste auch, dass man ihm bereits eine schwache Hand nachsagte: Die ganz speziellen Aktivitäten seiner Tochter waren überall in Little Italy Tagesgespräch gewesen. Wie er jetzt erst erfuhr, hatte sie sich schon lange nicht um ihren Ruf geschert und sogar ihre Männerbekanntschaften in diesen Club ausgeführt.
Allein deswegen hätte er sie am liebsten erwürgt.
Er wusste, was draußen geredet wurde, und auf gewisse Weise stimmte er damit überein. Aber, guter Gott, Maria war jetzt Witwe, und er würde dafür sorgen, dass sie für ihre Hurerei Buße tat. Paul hatte vor, sie in die strikte Obhut seines Cousins Carlos zu geben, eines Familienvaters und Mobmitglieds von minderem Rang. Er würde sie bei sich in Las Vegas aufnehmen - zum entsprechenden Preis. Paul wollte sie nie mehr wiedersehen. Das würde er durchhalten, und wenn es die letzte Tat seines Lebens sein sollte.
Sein Don hatte ein Treffen noch am selben Abend bei sich zu Hause verlangt. Paul wusste, dass er Ärger zu erwarten hatte, und war deswegen noch angespannter.
Die Mafia war seine erweiterte Familie, sein Don deren Oberhaupt. Eines wusste er genau: Wenn er ein Interesse hatte, sich dessen Wohlwollen und, wichtiger noch, das eigene Leben zu erhalten, musste er den Schwanz einziehen und dem Mann exakt das sagen, was er hören wollte. Er hatte nämlich eine Kardinalregel verletzt und eine persönliche Rechnung auf offener Straße vor Augenzeugen beglichen.
Das würde sein Don so schnell nicht verzeihen.
Paul schloss die Augen und sah seine Maria als kleines Mädchen vor sich, mit ihren wunderschönen Augen und dem schimmernden Haar. Sie war zu einer sinnlichen Frau herangewachsen, zu einer Hure von Frau, und jetzt musste er die Konsequenzen dafür tragen, dass er sie so abgöttisch liebte.
Paul Santorinis Don hieß Pietro DeMarco. Er war von kleiner Gestalt, siebzig Jahre alt und hielt sich fit, indem er in einem Kraftraum trainierte, den er in seinem Büro an der Eighth Avenue eingerichtet hatte. Er kleidete sich wie ein Bauer, trug stets eine Schiebermütze und einen Schal. Auf der Straße benahm er sich wie ein Trottel, redete mit jedermann und bauschte alle möglichen Kleinigkeiten zu großen Problemen auf.
Damit schützte er sich vor jedem Verdacht.
Anders als die jungen Männer kleidete er sich nicht wie ein Komparse aus »Der Pate«. Er wusste, wie wichtig es war, im Hintergrund zu blieben. Das hatte ihn fünfzig Jahre in Amerika überleben lassen und entscheidend dazu beigetragen, dass er vor zwanzig Jahren zum Don gewählt worden war. Das FBI hatte immer wieder versucht, ihm kriminelle Aktivitäten nachzuweisen, und hatte ebenso oft sämtliche Anschuldigungen fallenlassen müssen.
Jetzt war Don Pietro übel gelaunt.
Einer seiner bevorzugten Capos hatte sich ein so schwerwiegendes Fehlverhalten zuschulden kommen lassen, dass er ihn zum Gespräch hatte einbestellen müssen. Um ihn sich zur Brust zu nehmen. Allein das machte den Don ungnädig.
Er hatte Paul Santorini immer geachtet, hatte ihn sogar gemocht. Er kannte all das Gerede über Santorinis Tochter. Als Mann, der nur Söhne hatte, verstand er durchaus, warum ein Vater eine Tochter zu sehr lieben konnte.
Es lag in der menschlichen Natur.
Aber diese Tochter war, wenn die Geschichten stimmten, keine ehrbare Frau.
Jetzt bahnten sich Probleme mit den Iren an, und eben das wünschte der Don nicht. Mit ihnen war nicht zu spaßen, und gegenwärtig trieben sie Geld für einen unverständlichen Krieg in ihrer Heimat ein. Sogar die britische Armee dort drüben hatte Schwierigkeiten, sie im Zaum zu halten. Diese Iren waren geborene Kämpfer, und Don Pietro wollte es nicht wegen einer Frau zur Auseinandersetzung mit ihnen kommen lassen.
Der Frieden zwischen
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