Die Aufsteigerin
Bar in der Nähe des Madison Square Garden und unterhielt sich mit Igor Trawenowitsch. Der Tschetschene war fünf Jahre zuvor nach Amerika geflüchtet und hatte es inzwischen zum Oberhaupt einer russischen Familie gebracht, die den Mahoneys vergleichbar war.
Die beiden Männer kamen gut miteinander aus. Sie bedienten sich verschiedener Vorgehensweisen und waren auf unterschiedlichen Spezialgebieten versiert, doch mehr als alles andere waren sie an gewinnträchtigen Geschäften interessiert. Diese Ähnlichkeiten machten aus zwei Egoisten gute Freunde.
Nachdem sie den Ablauf einer anstehenden Transaktion haarklein durchgesprochen hatten, fragte Igor eher beiläufig:
»Stimmt es, was man hört? Der Mann aus London soll sich was ziemlich Übles geleistet haben?«
Eamonn lächelte. »Igor, ich erfülle meinen Teil unserer Abmachung, und du solltest nicht so tief sinken, auf solchen Tratsch zu hören. Der Mann hat Probleme, wie jeder von Zeit zu Zeit mal welche hat. Aber wir haben alles im Griff und geregelt. Deine Ware wird rechtzeitig ankommen. Ich kümmere mich um die Sache mit Tommy, und wir wechseln jetzt das Thema. Okay?«
Igor verstummte und widmete sich seinem Steak. Eamonn schnippte mit den Fingern nach der Rechnung, obwohl sie noch gar nicht zu Ende gegessen hatten. Zehn Minuten später verließen sie das Restaurant.
Igor verabschiedete sich mit Handschlag, bevor er ein Taxi bestieg. Eamonn ging noch ein wenig zu Fuß. Er war ernüchtert und besorgt. Immerhin hatte Igor sich angemaßt, Zweifel anzumelden, ob er Tommy im Griff hatte. Damit wurde die einhellige Meinung offenbar, dass die Iren immer mehr an Einfluss verloren. Es hatte im Laufe der letzten Jahre alarmierende Entwicklungen gegeben. Die Russen gewannen an Boden und wurden zur neuen Mafia. Sie ließen sich mit jedem ein und ließen ihn auch genauso schnell ausgeblutet zurück, sobald sie abgesahnt hatten.
Tommys Fehler war ihnen nicht verborgen geblieben, und das war schlecht. Tommy Pasquale war zur Belastung geworden, und es war Eamonns Job, diese Belastung loszuwerden. Aber insgeheim wusste er auch, dass es noch einen Grund gab, warum Tommy sterben musste.
Eamonn wollte für sich, was Tommy geschenkt bekommen, aber nie wirklich besessen hatte: Cathy.
Kapitel achtunddreißig
Cathy war auf dem Sofa eingeschlafen. Obwohl sie sich in einer fremden Stadt befand und eine befremdliche Mission zu erfüllen hatte, schlief sie friedlich und traumlos.
Versunken sah Eamonn sie an: ihre samtweiche Haut, ihre langen Wimpern, die im Licht des anbrechenden Morgens deutlich zu sehen waren, und ihre Brüste, die aus dem geöffneten Morgenmantel drängten. Er spürte seine zunehmende Erregung. Nie hatte er eine Frau mehr begehrt, nie hatte er mit solchem Verlangen auf eine Frau geschaut.
Die Arme hatte sie über dem Kopf verschränkt; sie lag da wie ein Kind, so wie sie als kleines Mädchen neben ihm im Bett geschlafen hatte, mit seinen kalten Füßen an ihrem Rücken.
Bei dem Gedanken musste er schmunzeln.
Er wusste, dass er nicht einfach so hätte hereinkommen dürfen, auch wenn es sein Apartment war. Sie besaß ein Anrecht auf ihre Privatsphäre und darauf, ungestört zu bleiben und sich in der Wohnung wie zu Hause zu fühlen. Aber er hatte sich trotzdem hineingeschlichen, um sie in Ruhe zu betrachten.
Begierig verschlang er ihren Körper mit seinen Blicken. Unter dem dünnen Stoff ihres Negligés konnte er ihr üppiges blondes Schamhaar erkennen.
Er legte die Hand über die Lippen. Ihm war zum Heulen zumute, zum Heulen darüber, dass sie beide ihr Leben so vergeudet hatten.
»Genieß es, Eamonn, so nahe wirst du mir nie wieder kommen.«
Ihre rauchige Stimme schreckte ihn auf. Cathy sah ihn an und lächelte zögernd. Dann setzte sie sich auf und zog ihren Morgenmantel zurecht. Als sie ihre Brüste bedeckte, spürte Eamonn eine tiefe Traurigkeit. Cathy war für ihn der Inbegriff von Sicherheit und Liebe. Seit ihrer gemeinsamen Kindheit war sie es, und das gehörte untrennbar zu der Anziehungskraft, die sie auf ihn hatte.
Er setzte sich zu ihr und sagte stockend: »Ich wollte dich nur ansehen. Dich so ansehen, wie ich es getan habe, als wir noch Kinder waren.«
Am liebsten hätte sie ihn an sich gezogen. Stattdessen seufzte sie leise.
»Wir sind aber keine Kinder mehr. Wir sind erwachsen und haben beide unser Leben vertan. Gut, ich habe meinen Club - er ist inzwischen einer der besten in London, das La Cage von Soho. Und ich habe Kitty. Ohne sie
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