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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Schlafzimmer an ein sensationsgieriges Fernsehteam zu vermieten, das waren zwei Paar Stiefel. Noch dazu, wenn Donato so tat, als wäre es ihm nie um Geld gegangen, sondern um Höheres. Ohne ihn würde keiner ahnen, was sich auf der Piazza wirklich abspielte, behauptete er. Und nur wer gut informiert sei, könne sinnvolle Entscheidungen treffen.
    »Und deswegen hast du deine Frau gegen einen Kameramann eingetauscht?«, fragte Ivan Garzone spöttisch.
    »Mein Schlafzimmer ist nun mal der einzig mögliche Beobachtungsort. Soll ich selbst Tag und Nacht am Fenster stehen?« Donato schlug sich theatralisch mit beiden Händen gegen die Brust. Er stand schräg vor dem Fernsehapparat. Das TG 5 berichtete von Überschwemmungen in Bangladesch, die vermutlich Hunderte von Menschenleben gekostet hatten.
    »Dein Schlafzimmer?«, fragte Marisa. »Es war einmal unseres!«
    »Informiert zu sein ist ja schön und recht«, sagte Ivan, »aber was nützt es uns, wenn wir wissen, dass Minh Pizza bestellt hat?«
    »Nun …« Donato breitete die Arme aus. »Es waren fünf Pizze. Zwei Quattro Stagioni und drei Regine. Eine Pizza pro Person. Zumindest ist damit bestätigt, dass Minh vier Geiseln gefangen hält.«
    Einige schüttelten den Kopf. Ob zwei oder vier oder sechs Geiseln, was änderte das? So oder so blieb Monteseccofür die Medien die Brutstätte des Bösen und seine Bewohner die Hauptverantwortlichen für die Tragödie, die sich unten an der Piazza abspielte. Genau dem wollte man aber entgegenwirken. Sie waren doch nicht anders als alle anderen. Sie gaben sich Mühe, mit dem Leben klarzukommen, und wenn sie Fehler machten, geschah das nicht aus bösem Willen. Dass Minh durchgedreht war, konnte man ihnen nicht anlasten. Oder?
    Das Telegiornale war bei den Sportnachrichten angelangt. Irgendein Skilangläufer brach mit Schaum vor dem Mund im Zieleinlauf zusammen. Franco Marcantoni beugte sich nach vorn, stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und fragte: »Was hast du gesagt, Donato?«
    »Dass es wahrscheinlich vier Geiseln sind und …«
    »Die Pizze. Es waren zwei Quattro Stagioni und drei Regine?«
    Donato nickte. Der Sprecher im Fernsehen sagte, dass das Ergebnis der Dopingprobe noch nicht vorläge.
    »Auf beiden ist gekochter Schinken«, sagte Franco, »und Minh ist doch Vegetarier!«
    Einen Moment herrschte Stille, dann stimmte Marta Garzone zu. Beim Dorffest an Ferragosto hatte sich der Junge nur von Bratkartoffeln und Salat ernährt. Nicht nur das Lamm hatte er verschmäht, sondern vorher auch die Spaghetti Panna e Prosciutto ausgelassen. Elena Sgreccia wusste von einer anderen Gelegenheit, bei der der Junge den Schinken vollständig aus seinem Toast gekratzt hatte. Doch bevor man irgendwelche Schlüsse zog, musste erst der Sachverhalt zweifelsfrei feststehen. Auf die Aussage einer Reporterin von Canale 5 wollte man sich keineswegs verlassen.
    Da Ivan den Wirt der Piccolo Ranch gut kannte, rief er dort an und verlangte Pizzabäcker und Fahrer zu sprechen. Beide traten erst abends ihren Dienst an, und so ließ er sich die Telefonnummern geben. Der Pizzabäcker reagierte unwirsch. Wenn man mehr als fünfzig Pizze proAbend in den Ofen schiebe, könne man sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wer was bestellt habe. Den Fahrer, der die Pizze nach Montesecco gebracht hatte, übernahm Milena Angiolini. Der Mann war sich ganz sicher. Er überprüfe höchstpersönlich vor der Abfahrt jeden Karton, weil er nichts mehr hasse, als wegen einer falschen Lieferung den Weg doppelt machen zu müssen.
    »Es waren also zwei Quattro Stagioni und drei Regine?«, fragte Milena.
    »So ist es, Schätzchen.«
    »Ohne irgendwelche Sonderwünsche?«
    »Genau.«
    »Also mit Schinken?«
    »Natürlich.«
    Als Milena auflegte, verkündete die Fernsehsprecherin gerade, dass die Presseerklärung des Ministers auf 14 Uhr am nächsten Tag verschoben worden sei. Gründe seien dafür nicht genannt worden. Wahrscheinlich wussten die Politiker auch nicht genau, was sie von der Sache halten sollten. Bei den Bewohnern Monteseccos jedenfalls wuchs die Überzeugung, dass hier einiges ganz gewaltig stank.
    Marisa Curzio gab zu bedenken, dass ein Junge seine Essgewohnheiten doch mal ändern könne. Schließlich fiele es sogar gestandenen Männern urplötzlich ein, das eheliche Schlafzimmer in ein Fernsehstudio umzuwandeln. Aber ihr ging es wohl um anderes. Nein, Minh war Vegetarier aus Überzeugung. Sie hatten ihn oft genug zu überreden versucht, eine

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