Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Lächeln stand auf und bot George die Hand.
    »Guten Abend, Sir. Ralph meint natürlich New York State.
    Ich bin aus dem Norden, aus Troy.«
    »Und sein Juraexamen hat er an der Cornell gemacht«, ergänzte Ralph.
    George bekam einen großen Whisky mit nur ganz wenig Wasser. Nancy hatte ihn kurz begrüßt, war aber gleich wieder in der Küche verschwunden, weil sie sich um das Essen kümmern mußte. Die Frau mit Namen Edna hatte wunderschöne braune Augen, deren Lider an den Außen-winkeln ein wenig nach oben strebten, wahrscheinlich nur ein Schminktrick, doch die Wirkung war verführerisch.
    Weshalb George es vermied, sie allzu oft anzusehen. Sie sprach nicht viel und lachte nur, wenn es wirklich ange-bracht war. Sie arbeitete als Lektorin bei irgendeinem Verlag. Ralph wußte das Gespräch so zu lenken, daß er immer wieder Peter Bucklers Vorzüge herausstreichen konnte: Kürzlich erst war er befördert worden, allerdings fühlte er sich nicht richtig wohl in seiner jetzigen Kanzlei, wofür es, wie Ralph durchblicken ließ, triftige Gründe gab. George hörte aufmerksam zu, aber die satten Farben – Weinrot mit ein paar blauen Tupfern – der bodenlangen zugezogenen Vorhänge an den Straßenfenstern ihm gegenüber machten ihn seltsam nervös. Waren es wirklich die Fenster zur Straße oder doch die zum Hof? Machte das einen Unterschied? Nein. Warum interessierte er sich dafür, was hinter diesen Vorhängen lag? Erinnerte das dunkle Rot ihn am Ende an seinen Morgenmantel?
    200
    »Wir könnten doch mal mit dem alten Tub reden. Was meinen Sie, George? Wenn wir ihm Peter vorstellen, mag der Alte zwar immer noch einen Grund finden, nein zu sagen, aber ich denke, ein bißchen frisches Blut würde uns durchaus nicht schaden, im Gegenteil… Was meinen Sie, George?« fragte Ralph.
    »Ja, warum nicht?« Peter Buckler machte wirklich einen Intelligenten Eindruck, weshalb ihn dem Senior also nicht als vielversprechenden Nachwuchs empfehlen? Während George das dachte, fingen die blau durchwirkten roten Vorhänge hinter Ralph an, auf und ab zu wogen, und allmählich verdichtete sich der kaleidoskopartige Reigen zu einer Silhouette, die zwar viel verschwommener war als alle, die George bisher gesehen hatte, in der er aber gleichwohl sich selbst in seinem roten Morgenmantel erkannte, mit der Andeutung eines Pyjamakragens am Hals. George kniff die Augen zusammen und senkte den Blick auf sein Glas. Er war fest entschlossen, sich heute abend keine Geistererscheinung bieten zu lassen, sie einfach zu ignorieren.
    Nancy kam und bat zu Tisch, und George erhob sich als erster. Er hatte das Gefühl, diese Runde gegen seine Halluzinationen gewonnen zu haben. Das Phantom war diesmal deutlich blasser gewesen. George verfiel auf den aben-teuerlichen Gedanken, das Gespenst, wenn es sich das nächste Mal zeigte, zu packen, es in seinen Armen zu zermalmen, jedenfalls irgendwie mit ihm Kontakt aufzunehmen, um sich zu beweisen, daß es nichts weiter war als eine Schimäre, eine Luftspiegelung. Falls es überhaupt ein nächstes Mal geben würde.
    In der an die Küche angrenzenden Eßecke herrschte eine 201
    ganz andere Atmosphäre, und George gab sich liebenswürdig, schlagfertig, kontaktfreudig. Was ihm gar nicht so schwerfiel, denn die fröhlichen Gesichter am Tisch heiterten ihn zusehends auf. Zudem schmeckte der Rotwein vorzüglich. Sollte er Edna Carstairs vielleicht einladen?
    Zum Abendessen? Ins Theater? Er schätzte sie auf etwa achtunddreißig. Warum war sie solo? Was war ihr passiert?
    Nun, was war mit ihm passiert? War Alleinsein etwa eine Schande?
    Edna brach als erste auf, gleich nachdem man im Wohnzimmer den Kaffee genommen hatte. George dachte, Ralph wolle sich vielleicht noch ein bißchen mit Pete allein unterhalten, weshalb er sich ebenfalls verabschiedete, nicht ohne Edna zu fragen, ob er sie vielleicht irgendwo absetzen könne.
    »Ecke Forty-ninth und Eighth Avenue?« Edna klang, als befürchte sie, das könne für George ein allzu großer Umweg sein. »Aber es ist wirklich nicht nötig. Ich meine, ich kann mir auch selbst ein Taxi nehmen.«
    George versicherte, es sei ihm ein Vergnügen, dann bedankte er sich bei den Foremans für den schönen Abend.
    Im Taxi erkundigte er sich bei Edna, ob sie gern ins Theater gehe. Mit Begeisterung, erwiderte sie. Mit Ausnahme von läppischen Sexkomödien sei sie für alles zu haben. Und auf die nächste Frage antwortete sie, daß sie kommenden Dienstag noch nichts vorhabe, worauf George

Weitere Kostenlose Bücher