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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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kann nicht…«
    »Frisky könnte der größte jemals lebende Spürhund sein«, antwortete Naomi lachend. »Und im Winter ist das Wittern etwas anderes als im Sommer, Ben Staad! Im Sommer verschwindet eine Fährte schnell … sie verdirbt, sagt mein Vater immer, und es gibt hundert andere Witterungen, welche die zudecken können, die der Hund sucht. Nicht nur von anderen Menschen und Tieren, sondern auch von Gräsern und warmen Winden, selbst die Gerüche, die vom fließenden Wasser transportiert werden. Aber im Winter ist eine Fährte beständig. Wenn wir irgendetwas hätten, das Dennis gehört … das seinen Geruch angenommen hat…«
    »Was ist mit dem Rest deiner Meute?«, fragte Ben.
    »Ich öffne den Schuppen dort drüben« - sie deutete in
die Richtung - »und lasse meinen Schlafsack dort. Wenn ich ihnen zeige, wo er ist, und sie dann freilasse, können sie sich selbst etwas zu fressen jagen - Kaninchen und dergleichen -, und sie werden auch wissen, wo sie Unterschlupf suchen müssen.«
    »Werden sie uns nicht folgen?«
    »Wenn man es ihnen untersagt, nicht.«
    »Das kannst du?« Er sah sie voller Bewunderung an.
    »Nein«, sagte Naomi nüchtern. »Ich spreche die Hundesprache nicht und Frisky nicht die Menschensprache, aber sie versteht sie. Wenn ich es Frisky sage, wird sie es den anderen sagen. Sie werden jagen, was sie brauchen, aber sie werden sich nicht so weit entfernen, dass sie die Witterung meines Schlafsacks verlieren, noch dazu, wo der Sturm kommt. Und wenn der anfängt, werden sie Schutz suchen, ganz egal, ob ihre Bäuche voll oder leer sind.«
    »Und wenn wir etwas hätten, das Dennis gehört, glaubst du wirklich, dass Frisky ihn aufspüren könnte?«
    »Ja.«
    Ben sah sie lange und nachdenklich an. Dennis hatte das Haus am Dienstag verlassen. Heute war Sonntag. Er glaubte nicht, dass ein Geruch so lange anhalten konnte. Aber etwas war im Haus, das Dennis’ Geruch hatte, und selbst ein närrisches Unterfangen war besser, als tatenlos herumzusitzen. Das sinnlose Herumsitzen machte ihm mehr als alles andere zu schaffen, die vor ihnen liegenden Stunden, wenn anderswo entscheidende Dinge stattfinden konnten, während sie hier saßen und Däumchen drehten. Unter anderen Umständen hätte ihn der Gedanke entzückt, mit einem so schönen Mädchen wie Naomi allein eingeschneit zu sein, aber nicht, wenn
zwanzig Meilen östlich ein Königreich gewonnen oder verloren werden konnte … und das Leben seines besten Freundes vielleicht einzig und allein von diesem Diener abhing, der ihm half.
    »Nun?«, fragte sie aufgeregt. »Was meinst du?«
    »Ich finde, es ist verrückt«, sagte er. »Aber einen Versuch wert.«
    Sie grinste. »Haben wir etwas, an dem sein Geruch stark haftet?«
    »Haben wir«, sagte er und stand auf. »Bring deinen Hund herein und führe sie nach oben, Naomi. Auf den Dachboden.«

98
    Auch wenn die meisten Menschen es nicht wissen, für Hunde sind Gerüche wie Farben. Schwache Gerüche haben schwache Farben, wie von der Zeit ausgewaschene Pastelltöne. Deutliche Gerüche haben deutliche Farben. Manche Hunde haben schwache Nasen, und sie nehmen Gerüche so wahr wie manche Menschen mit schlechten Augen Farben sehen; sie denken, dieses zarte Blau könnte Grau sein, und dieses Dunkelbraun eigentlich Schwarz. Friskys Spürsinn jedoch war wie der eines Mannes mit den Augen eines Falken, und der Geruch auf dem Dachboden, wo Dennis geschlafen hatte, war sehr deutlich und sehr stark (vielleicht war es gut, dass Dennis ein paar Tage lang nicht gebadet hatte). Frisky schnupperte im Heu, dann an der Decke, die DAS MÄDCHEN ihr entgegenhielt. Sie roch Arlen daran, achtete aber nicht auf diesen Geruch; er war schwächer und ganz anders als der Geruch, den sie im Heu wahrgenommen hatte. Arlens Geruch war zitronig und müde, und Frisky wusste sofort, dass es der Geruch eines alten Mannes war. Dennis’ Geruch war aufregender und vitaler. Für Friskys Nase hatte er das elektrische Blau eines sommerlichen Blitzschlags.
    Sie bellte, um zu zeigen, dass sie den Geruch aufgenommen und wohlbehalten in ihrer Bibliothek der Gerüche verwahrt hatte.
    »Prima, gutes Mädchen«, sagte DER GROSSE JUNGE. »Kannst du ihm folgen?«

    »Sie wird ihm folgen«, sagte DAS MÄDCHEN zuversichtlich. »Gehen wir.«
    »In einer Stunde wird es dunkel sein.«
    »Wahrhaftig«, sagte DAS MÄDCHEN und grinste. Wenn DAS MÄDCHEN auf diese Weise grinste, dann barst Friskys Herz fast vor Liebe zu ihr. »Aber schließlich sind wir ja

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