Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
nicht, sie kreischte, ihre Hände auf den Sessellehnen zitterten, die Stimme überschlug sich. Es sah so aus, als wollte sie aufspringen.

    »Tun Sie das weg! Ich kann das nicht mehr hören! «

    Ed wartete. Die Papiere hielt er immer noch in der Hand, es war ihm gar nicht bewußt. Das Tonbandgerät lief zum erstenmal mit. Er hatte zwar nicht damit gerechnet, einen verständlichen Satz aus ihr herauszuholen. Doch auch die unverständlichen mußten ja irgendwie interpretiert werden. Und gerade bei denen ging so leicht etwas verloren. Da hatte er noch Glück gehabt in der letzten Stunde, daß es nur ein paar Sätze gewesen waren, und die noch in den letzten Minuten. Sie sackte wieder in sich zusammen, das Kinn sank ihr fast auf die Brust.

    »Ich kann nicht mehr «, murmelte sie stockend, schüttelte den Kopf, hielt ihn gesenkt dabei. Sie wiederholte den Satz noch einmal, etwas lauter und verständlicher. Und plötzlich riß sie den Kopf wieder in die Höhe und schrie erneut:

    »Tun Sie das weg! Ich kann das nicht hören! Ich will das nicht hören! «

    Ein paar Sekunden lang befürchtete Ed, daß nun gleich der Name Retling fallen würde. Und auf den Namen die Selbstbezichtigung. Meine Schuld, meine Schuld! Als sie wieder schwieg, sagte Ed behutsam:

    »Sie müssen es nicht hören, wenn Sie nicht wollen, Patrizia. Niemand kann Sie dazu zwingen. «

    Sie senkte den Kopf erneut und betrachtete ihre Hände.

    »Er hätte das nicht tun dürfen «, murmelte sie.

    »Es war nicht richtig. «

    Ed fühlte, wie sich sein Puls beschleunigte. Jetzt war es passiert! Genau das, wovor er Paul noch vor Beginn der Behandlung gewarnt hatte. Er hatte sie aufgeweckt. Und er hatte nur noch gute dreißig Minuten, um das Schlimmste zu verhindern. Wenn die Zeit abgelaufen war, stand sie mit ihrer Schuld allein. Albert Retling war ein Krüppel. Vielleicht war sie bald tot. Aber es kam ganz anders. Als sie weitersprach, klang es nur im ersten Moment so, als wäre sie durchaus noch in der Lage, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Sie sprach leise, Ed hatte Mühe, sie zu verstehen. Sie wiederholte noch einmal:

    »Es war nicht richtig. «

    Dann kam ein Satz, mit dem Ed nicht gerechnet hatte.

    »Kein Mensch ist es wert, daß ein anderer so etwas für ihn tut. Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, wir hätten uns nie getroffen. Er hätte irgendwann ein anderes Mädchen kennengelernt und wäre glücklich geworden. Ich habe ihm nur Unglück gebracht. Jetzt ist er eingesperrt, und ich kann ihn nicht mehr fühlen. «

    Bis dahin hatte sie mit gesenktem Kopf gesprochen, nun schaute sie Ed an. Sie wiederholte auch diesen Satz noch einmal, es war fast ein Wimmern:

    »Ich kann ihn nicht mehr fühlen, aber ich brauche ihn. Ich brauche ihn so sehr. Während er in Untersuchungshaft war, war noch alles in Ordnung. Ich habe mir immer gesagt, es ist kein Unterschied, ob er draußen vor dem Fenster steht oder weiter weg in einer Zelle sitzt. Er denkt an mich. Er ist bei mir. Er ist immer bei mir. Aber jetzt… 6 Drei Jahre oder vier, das hätte ich ertragen können. Sieben Jahre, das ist zuviel. Das halte ich nicht aus. «

    Kein Wort von einem alten Mann, den sie einmal verehrt hatte. Vermutlich dachte sie nicht einmal mehr an Albert Retling. Unvermittelt begann sie zu weinen. Es war ein seltsames Weinen, so still, nur die Tränen liefen ihr über die Wangen. Ihre Augen wirkten hinter dem Tränenfilm viel größer, ihre Lippen zitterten. Zum drittenmal erklärte sie:

    »Ich fühle ihn nicht mehr. «

    »Und was schließen Sie daraus, Patrizia? «

    Sie hob nur die Achseln, Ed fragte weiter.

    »Glauben Sie, daß er nicht mehr an Sie denkt? Glauben Sie, was in den Papieren steht, daß er nur die Steine wollte? «

    Sie antwortete nicht gleich. Ihre Finger nestelten am Stoff ihrer Hose. Nach einer Weile schüttelte sie erneut den Kopf.

    »Er wollte doch keine Steine «, flüsterte sie,»nur ein bißchen Geld, damit wir zusammen weggehen konnten. Vielleicht ist er schon vorgegangen, nach Kanada oder Brasilien. Er hat mir versprochen, daß wir dort hingehen, eines Tages, wenn er wieder frei ist. «

    So wie sie es ausdrückte, klang es, als hätte sie nach der Verhaftung noch einmal mit Schramm sprechen können. Ed wußte, daß das nicht der Fall gewesen war. Bis auf die paar Sekunden im Gerichtssaal, wo sie sich an ihn klammerte, hatte sie Schramm nach dem Überfall nicht mehr gesehen. Wenn er wieder frei ist. Sie hatte sehr leise

Weitere Kostenlose Bücher