Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
Vom Netzwerk:
selbst haben einen erklärten Hellseher hinzugezogen, genau genommen zwei – weil sie wussten, dass sie helfen könnten. Und schon davor wollten Sie meine Hilfe. Nicht die Hilfe einer Polizeizeichnerin. Die Hilfe von jemand mit … einem Talent. Einem übersinnlichen Talent.« Erneut ein schiefes Lächeln. »Zum Teufel, John, Sie wussten von Anfang an, dass daran nichts Normales oder zu Erwartendes ist.«
    Darüber dachte er nach, während sie den Kaffee holte. Ein wenig reumütig musste er zugeben, dass sie Recht hatte. Er selbst hatte immer ein Talent, einen Instinkt für die Auswahl der richtigen Personen für die jeweilige Aufgabe gehabt. Dies war einer der Gründe, weshalb er es in der Geschäftswelt so weit gebracht hatte. Warum sollte es nicht auch auf diese Situation anwendbar sein?
    »Okay, es ist angekommen«, sagte er, als sie ihm den Kaffee über die Arbeitsplatte hinweg zu­schob.
    »Aber sind Sie bereit, über diesen Punkt hinauszugehen? Das Außergewöhnliche zu akzeptieren und Ausschau zu halten nach dem Unerwarteten?«
    »Ich weiß es nicht«, gab er ehrlich zu. »Ich will es versuchen – zählt das?«
    Maggie hatte sich diesbezüglich bereits entschieden, dennoch musste sie behutsam vorgehen, sehr behutsam. Sie nahm einen Schluck Kaffee, sah zu, wie er Milch in seinen Kaffee gab, und sagte dann: »Ich schätze, das wird reichen müssen, was?«
    »Ich hoffe es.«
    Sie nickte, dann atmete sie tief durch. »Ich habe einen Bruder. Eigentlich einen Halbbruder; wir hatten dieselbe Mutter. Aber er ist ein Seher, wie Quentin, und er hat mir dabei geholfen, mir auf einige Dinge in meinem Leben einen Reim zu machen. Auf gewisse … Instinkte. Träume. Das, was ich fühle, und die Bilder, die sich mir in meine Seele eingebrannt haben.«
    »Was für Bilder?«
    Sie zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Das ist – dazu komme ich später. Jedenfalls haben mein Bruder und ich beide Mutters künstlerische Begabungen geerbt, in unterschiedlichem Maße. Mein Bruder hat die geniale Schöpferkraft bekommen; ich habe … gerade genug abbekommen für das, was ich tun muss.«
    »Und das ist?«
    »Das Gesicht des Bösen zu zeichnen.«
    John betrachtete sie forschend. »Andy sagt, sie könnten jede Art von Künstlerin sein, die Sie sein wollten. Sie hätten reichlich Talent. Der Skizze von Christina nach zu urteilen, bin ich geneigt, dem zuzustimmen.«
    »Ich hätte wahrscheinlich ziemlich gut werden können, wenn ich daran gearbeitet hätte.« Sie zuckte mit den Achseln, als täte sie etwas als belanglos ab. »Aber was ich tun musste, erforderte weniger Fertigkeit als … Intuition.«
    »Sie meinen Ihre empathische Begabung?«
    »Ja.«
    John verzog das Gesicht, als er daran dachte, welches Entsetzen, welchen Schmerz und Schock er sie hatte ertragen sehen. »Sie mussten leiden, um das Gesicht des Bösen zu zeichnen?«
    Sie zögerte, dann meinte sie: »Ich glaube nicht, dass ich es sonst zeichnen könnte. Ich glaube, niemand könnte das. Für manches reicht Wissen nicht aus. Reicht auch Fantasie nicht aus. Sie müssen es fühlen, um zu verstehen.«
    »Nur das Böse?«
    »Besonders das Böse.«
    »Dann … haben Sie das Gesicht des Bösen gezeichnet?«
    Maggie lachte freudlos. »Wieder und wieder. Aber es gibt Abstufungen beim Bösen wie bei allem anderen auch. Das Gesicht des kleinen Bösen ist … der Mann, der einen Wachmann in einer Bank kaltblütig tötet, um an das Geld zu kommen. Der Mann, der seine eigene Frau jede Nacht vergewaltigt, weil er glaubt, er hat ein Recht darauf. Die Frau, die ihr Kind vergiftet, weil sie sich nach dem Mitgefühl und der Aufmerksamkeit sehnt, die ihr das bringt. Der Pfarrer, der die kleinen Jungen sexuell belästigt, die vertrauensvoll zu ihm kommen. Die Krankenschwester, die ihre Patienten ermordet, weil sie glaubt, die Mittel, die auf ihre Pflege verwandt werden, könnten anderswo besser eingesetzt werden.«
    »Mein Gott«, murmelte John. »Das kleine Böse? Maggie, stammen diese Beispiele alle aus früheren Ermittlungen?«
    »Ja.«
    »Ermittlungen, an denen Sie beteiligt waren?«
    »Ja.«
    Er konnte sich nicht einmal vorstellen, was sie durchgemacht haben musste, und als ihm das durch den Kopf schoss, begriff er auch, was sie damit gemeint hatte, dass man das Böse erfahren haben musste. Selbst mit künstlerischem Talent hätte er das nicht zeichnen können. Manche Dinge könnte nicht einmal ein gut unterrichteter, fantasievoller Verstand fassen und verstehen, einfach weil sie

Weitere Kostenlose Bücher