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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
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doch er konnte nicht anders: Er fragte sich, ob nicht zumindest ein Teil dessen, was er hier zu hören bekam, lediglich die Symptome des geistigen Verfalls waren, dessen mögliches Auftreten Quentin und Kendra angedeutet hatten. Was, wenn Maggie einfach zu viel gelitten hatte?
    »Ich drehe nicht ab, John.« Sie sprach sehr leise, und sie lächelte schwach, als er ihr einen verdutzten Blick zuwarf. »Nein, ich kann Ihre Gedanken nicht lesen. Aber ich spüre, was Sie fühlen, und ich weiß, Sie machen sich Sorgen um mich. Das brauchen Sie nicht, jedenfalls nicht deswegen. Es geht mir gut.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich bin müde, das alles ist mir an die Nerven gegangen, dass will ich gar nicht leugnen, aber sonst geht es mir gut.«
    »Und das Gemälde? Wie konnten Sie etwas malen, das in dem Moment noch nicht existiert hat?«
    Sie atmete tief durch. »Ich weiß es nicht. Ich meine, ich verstehe es selbst nicht. Ich weiß nur, wenn er ihr das noch nicht angetan hat, dann wird er es noch tun. Es sei denn, wir halten ihn auf.«
    »Aber Sie können nicht in die Zukunft sehen?«
    »Nein, ich kann nicht in die Zukunft sehen.« Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich habe Sie vorher gefragt, ob Sie bereit sind, das Außergewöhnliche zu akzeptieren und Ausschau zu halten nach dem Unerwarteten.«
    »Ja, aber … das hier? Sie sprechen von einem Bösen, das nicht stirbt, von einem Gleichgewicht, das wiederhergestellt werden muss, und dann zeigen Sie mir ein Bild einer misshandelten toten Frau, von dem Sie sagen, dass Sie es gemalt haben, bevor sie auch nur entführt worden war. Ich weiß nicht, Maggie. Ich weiß einfach nicht, welchen Reim ich mir darauf machen soll.«
    Maggie konnte es ihm eigentlich nicht verdenken.
    »Und wie sieht Ihre Verbindung zu all dem aus? Wenn Sie nicht in die Zukunft sehen können und Ihre übernatürlichen Fähigkeiten … sich auf Gefühle … beschränken, wie können Sie da so sicher sein, dass das Drecksschwein, das wir suchen, so etwas wie ein ewiges Böses ist? Weil sie es fühlen?«
    »Ja. Und weil ich es schon einmal gefühlt habe.«
    »Wann?«
    Sie zögerte und fragte sich, ob überhaupt die Möglichkeit bestand, dass er dies akzeptieren könnte. »1934.«
    Nach langem Schweigen sagte John: »Ich wünschte wirklich, Sie hätten etwas Hochprozentigeres im Haus als Kaffee.«
    »Ja. Ich auch.«
    Er atmete tief durch. »Sie wollen sagen, dass Sie damals gelebt haben? Dass Sie eine andere Person waren – ein anderes Leben gelebt haben?«
    »Das will ich sagen, ja.«
    »Und Sie haben dieses … ewige Böse … damals gekannt?«
    »Er hat damals Frauen überfallen, genauso wie er es heute macht. Als Andy und die anderen uns die Bilder der damals ermordeten Frauen zeigten, wusste ich sofort, dass er es ist. Kein Nachahmer, der sich des Rituals von jemand anderem bedient, sondern er.«
    »Weil Sie es gefühlt haben.«
    Sie nickte. »Ich weiß nichts, was die Ermittlungen voranbringen könnte, nichts, das uns helfen könnte, ihn zu finden zu schnappen. Ich weiß nicht, wie er aussieht, wie er heißt. Ich weiß nicht einmal, warum er Frauen auswählt, die wie die aussehen, die er damals umgebracht hat. Ich weiß nur dass das Böse in ihm schon sehr lange lebt. Und ich weiß, dass es meine Schuld ist.«
    »Was?«
    »Das Gleichgewicht, wissen Sie noch? Eine positive Kraft, die einer negativen entgegentreten soll? Ich sollte ihn irgendwie aufhalten. Ganz zu Anfang, bevor dieses Böse zu stark wurde, war ich irgendwie in der Lage, zu ändern, was auch immer damals geschehen sein mag. Ihn aufzuhalten, zu zerstören. Oder ihn vielleicht auch nur in eine andere Richtung zu lenken. Ich weiß es nicht genau. Ich erinnere mich nicht. Ich fühle nur.«
    »Und wenn das, was Sie fühlen, falsch ist?«
    »Das ist es nicht.«
    »Wie können Sie sich da nur so verdammt sicher sein? Maggie, wovon Sie hier sprechen, das ist … unglaublich. Gelinde gesagt. Sie haben vor einem Menschenleben einen Mörder nicht aufgehalten, und deshalb ist er jetzt irgendein unaufhaltsames Böses?«
    »Er ist nicht unaufhaltsam. Man hat ihn bloß noch nicht aufgehalten – bis jetzt.«
    »Und Sie müssen ihn aufhalten – jetzt?«
    Sie nickte.
    »Ich muss ihn aufhalten. Weil ich es damals nicht getan habe. Ich kann nicht … kann nichts anderes tun, ehe ich nicht getan habe, was ich tun soll. Und ich habe ganz stark das Gefühl, dass dies meine letzte Chance ist, meinen Fehler zu korrigieren. Vielleicht bekommt man nur eine

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