Die Augen
ihrer Stimme, in ihrem Gesicht, sogar in ihrem Widerstreben, ihm diesmal alles zu sagen, was sie spürte, alles, was sie wusste, überzeugte ihn. Er glaubte, dass sie in gewisser Weise den Augenblick, in dem seine Schwester gestorben war, gespürt, ja sogar geteilt hatte.
Und weil er das glaubte, weil er an Maggies Fähigkeiten glaubte, musste er sich schließlich auch eingestehen, dass er an diverse andere höchst verstörende … Fakten glaubte:
Jemand anderes, vermutlich der Mann, der sie überfallen hatte, war für Christinas Tod verantwortlich, hatte sie tatsächlich kaltblütig ermordet.
Quentin konnte wirklich in die Zukunft »sehen«.
Und dieses Drecksschwein, das sie alle gefangen und eingesperrt sehen wollten, dieser Mann, der Jagd auf Frauen machte, aus einem obszönen Bedürfnis heraus, das kein gesunder Verstand begreifen konnte, dieses bösartige Raubtier mit menschlichem Antlitz – hatte schon einmal gelebt. Und schon einmal gemordet.
Himmel … was konnte ein Mann mit dieser Art von Wissen anfangen?
Sein gesamtes Leben lang hatte John nur an das geglaubt, was er sehen, was er mit Händen greifen oder berühren konnte, wovon er ohne jeden Zweifel wusste, dass es real war. Er war nie religiös gewesen, sondern hatte Glauben als Aberglauben betrachtet und das so genannte Übersinnliche als nichts anderes als von Wunschdenken und Pseudowissenschaft zu etwas Pseudorationalem verbrämten Mystizismus.
Doch angesichts dessen – all dessen –, konnte er allmählich ermessen, wie wenig er eigentlich vom Wesen der Realität verstand. Denn wenn die Welt, in der er lebte, Seher und Empathen hervorbrachte, und menschliche Ungeheuer, die immer wiedergeboren wurden und in jedem neuen Leben neue Opfer quälten, nur weil jemand sie nicht zu dem Zeitpunkt aufgehalten hatte, den das Schicksal verfügt hatte, dann waren sämtliche Gewissheiten seines eigenen Lebens auf Sand gebaut.
Es war eine ernüchternde Erkenntnis, doch zu seiner Überraschung auch … erfrischend. Er hatte ganz ehrlich nicht mehr geglaubt, es gebe noch Geheimnisse zu erforschen, jedenfalls nicht für ihn. Da sein Wirtschaftsimperium dieser Tage praktisch von alleine funktionierte, sämtliche Ziele und Bestrebungen längst erreicht und umgesetzt oder sogar übertroffen waren, war sein Leben zu einer vorhersehbaren, wenig aufregenden Routine geworden, die er noch nicht so recht als langweilig hatte bezeichnen wollen. Doch zweifellos war sie eben dies: langweilig.
Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt so lebendig gefühlt hatte, so vertieft in eine einzigartige Herausforderung.
Und er begriff endlich, warum Quentin zum FBI gegangen war. Nicht, weil er sich als traditionellen Polizisten begriffen hatte, was John nie hatte glauben können angesichts der ungestümen, zutiefst unabhängigen, manchmal regelrecht verwegenen Natur seines Freundes – von seinem gelegentlich etwas verdrehten Sinn für Humor ganz zu schweigen. Und auch nicht, weil er einen Juraabschluss hatte, mit dem er sonst nichts anzufangen wusste.
Nein, er war zum FBI gegangen, weil Noah Bishop in aller Stille Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten für eine spezialisierte Einheit von Ermittlern angeworben hatte. Dies hatte sowohl Quentins angeborene Neugier und sein Gerechtigkeitsgefühl als auch sein Bedürfnis angesprochen, Verwendung für ein einzigartiges Talent zu finden, das dem Rest der Welt unbegreiflich war – und sogar beängstigend schien. Jedenfalls den Menschen, die überhaupt daran glaubten.
»Ein schöner Freund bin ich«, murmelte John.
Es sagte einiges über Quentins Charakter aus, dass er John in all diesen Jahren ein loyaler Freund geblieben war, humorvoll und nicht beleidigt, trotz Johns offensichtlichen Unglaubens. John war sich nicht sicher, was dies über seinen eigenen Charakter aussagte. Dass er unglaublich stur war vielleicht?
Vielleicht.
»John.«
Er stieß sich vom Türrahmen ab und richtete sich auf, verblüfft, dass er so in Gedanken vertieft gewesen war und Maggie nicht hatte kommen hören. Als er ihr Gesicht sah, tat er unwillkürlich einen Schritt auf sie zu.
»Was ist? Was ist passiert?«
Sie klemmte den Skizzenblock unter den Arm und griff nach ihrem Telefon. Ihr Lächeln wirkte ein wenig gequält. »Hollis dachte, sie hätte sich an etwas erinnert, aber es war etwas, was wir schon wussten.« Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen, aber sie sprach vorsichtshalber gleich weiter für den Fall, dass Johns scharfe
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