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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
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Hollis? Oder – wer sie war?«
    Nach kurzem Überlegen sagte Hollis: »Sie sind schneller darauf gekommen als ich. Ich schätze, es ist nicht leicht zu akzeptieren, dass ein Geist mit einem spricht.«
    »Bestimmt nicht. Ich hatte nie irgendwelche medialen Fähigkeiten, deshalb weiß ich nicht, wie sich das anfühlt.« Nur dass sie es jetzt auch spürte. Sie spürte Hollis’ Unbehagen und Zweifel, spürte den schwachen Schauder, der einen überläuft, wenn man von etwas Unerklärlichem berührt wird; das eigentümliche Gefühl, in einen offenen Korridor zu blicken, der die Lebenden und die Toten miteinander verbindet.
    »Mediale Fähigkeiten? Die Fähigkeit, mit den Toten zu reden, vermute ich. Sonderbar irgendwie, dass es einen Namen dafür gibt.« Sie zögerte kaum merklich, dann fuhr sie fort. »Aber Sie haben übersinnliche Fähigkeiten, nicht wahr, Maggie?«
    Maggie zögerte, ehe sie antwortete. »Was ich mache, nennt man Empathie.«
    »Empathie. Sie fühlen die Schmerzen der anderen. Und manchmal nehmen Sie dem Schmerz auch seine Schärfe oder verringern ihn sogar, nicht wahr?«
    »Wenn ich kann.«
    Plötzlich drehte Hollis ihre Hand um und ergriff Maggies. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich niemals mit Ihnen gesprochen. Niemals hätte ich Sie gezwungen, so viel von dem zu fühlen, was ich gefühlt habe.«
    »Ich weiß. Deshalb habe ich Ihnen ja nichts gesagt.«
    »Es tut mir Leid, Maggie.«
    »Das sollte es nicht. Sie haben mich nicht gezwungen , irgendetwas zu empfinden. Es ist einfach das, was ich tue, Hollis. Was ich … es ist meine Aufgabe.«
    »Leiden?«
    »Das Leiden verstehen.« Maggie seufzte. »Es ist alles in Ordnung, wirklich. Im Augenblick bin ich mehr an Annie interessiert und an dem, was Sie zu Ihnen gesagt hat. Bin ich deshalb hier?«
    »Ja. Da sind … Dinge, die ich Ihnen sagen soll. Sie war diejenige, die mir überhaupt erst gesagt hat, ich soll nach Ihnen fragen. Sie hat nicht gesagt, warum, einfach nur, ich müsste mit Ihnen reden.«
    »Ich hatte mich schon gefragt, woher Sie meinen Namen wussten. Die Polizei behält ihn normalerweise für sich.«
    »Annie hat ihn mir gesagt. Und vor ein paar Stunden hat sie … hat sie mich angefleht, ich solle ihr helfen.«
    »Helfen wobei? Mit mir Kontakt aufzunehmen?«
    »Sie hierher zu holen. Es Ihnen zu sagen.«
    »Mir was zu sagen?«
    »Ihnen vom nächsten Opfer zu erzählen.«

14
    John wartete dort auf Maggie, wo er schon einmal auf sie gewartet hatte: am Eingang der Tür zum Warteraum auf der Etage, auf der Hollis Templetons Zimmer lag. Der Korridor war so still, wie er offenbar immer war, und niemand störte seine Gedanken.
    Dabei hätte er sich das beinahe gewünscht.
    Es hätte ihn erleichtern sollen, dass seine Schwester sich doch nicht umgebracht hatte, dass er wenigstens diesbezüglich Recht behalten hatte. Das war eine Sache gewesen, die zu beweisen er entschlossen gewesen war. Aber er konnte es immer noch nicht beweisen. Und selbst wenn er Maggie glaubte …
    Glaubte er Maggie?
    Es schien alles so … unglaubwürdig. Und doch hatte er mit eigenen Augen ihre heftige körperliche und emotionale Reaktion auf Orte gesehen, an denen gewaltsame Handlungen stattgefunden hatten. Hatte gesehen, wie sie mit den Opfern mitfühlte, denen sie zu helfen versuchte.
    Und er hatte ein Gemälde gesehen, das eine bestialisch ermordete Frau zeigte, eine Frau, von der er sich sicher war, dass es sich um Tara Jameson handelte. Doch die vermisste Frau war noch gar nicht entführt gewesen, als Maggie in einem beängstigenden, praktisch unbewussten, albtraumhaften Zustand ihren schrecklich verstümmelten Körper gemalt hatte. Beim bloßen Gedanken daran schauderte es ihn.
    Maggie hatte sich nicht verstellt oder ihm etwas vorgespielt, dessen war er sich sicher. Selbst wenn sie einen Grund gehabt hätte, ihm eine so unglaubliche Fähigkeit vorzutäuschen – und er konnte sich nicht einen einzigen Grund vorstellen – würde jemand deswegen zu solch extremen Mitteln greifen?
    Nein, er war sicher, dass Maggie und ihre Fähigkeiten echt waren. Mit jeder Minute, die er mit ihr verbrachte, war er überzeugter von ihrer grundlegenden Ehrlichkeit und ihrem offenbar auf ihrer Vorstellung von Karma beruhenden Bedürfnis, anderen zu helfen. Und wenn sie hinsichtlich aller anderen Dinge die Wahrheit sagte, warum sollte sie dann lügen, wenn es um Christinas Tod ging?
    Nachdem er dies alles sorgsam durchdacht hatte, begriff er, dass er ihr auch darin glaubte. Etwas in

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