Die Auserwaehlte
Priester sie für die Dauer ihres sterblichen Lebens zu Mann und Frau erklärte. Auch das Ende der Zeremonie drang erst zu ihr, als die Gäste laut zu jubeln begannen und Glücksbringer aus sorgfältig gefaltetem Papier in einem farbenfrohen Wirbelwind über Braut und Bräutigam niederregnen ließen.
Mara brachte ein mechanisches Lächeln zustande. Jetzt kam der Augenblick, da jeder Gast das Hochzeitsgeschenk präsentierte – in Form eines handwerklichen Gegenstands, eines Gedichts oder einer musikalischen Komposition. Einige dieser Geschenke oder Vorführungen von den großen Lords und den politisch Einflußreichen des Kaisereichs würden von außerordentlicher Qualität und teuer sein. Es ging das Gerücht, daß der Kriegsherr eine ganze Theatergruppe mitgebracht hatte, mitsamt Kostümen und Bühne. Aber diese Vorführung würde erst in ein paar Tagen stattfinden, da die Reihenfolge bei den Rang-niederen begann.
Buntokapi pickte einen der Papierglücksbringer von seinem Gewand. Er wollte sich die Langeweile der ersten Darstellungen ersparen und erklärte, sich erleichtern und bequemere Kleider anziehen zu müssen. Wie es der Brauch wollte, konnte er mit seiner Braut erst dann schlafen, wenn der letzte Gast sein Geschenk abgeliefert hatte; und das schwere Hochzeitskleid verbarg zuviel von ihr, als daß es nicht ein besserer Zeitvertreib sein würde, den Sklavenmädchen nachzugaffen.
Mara nickte ihrem Herrn höflich zu. »Ich werde hierbleiben, mein Gemahl, damit auch die geringsten unserer Gäste die Dankbarkeit der Acoma für ihre Geschenke erfahren.«
Buntokapi rümpfte die Nase; er glaubte, daß sie ihn absichtlich mied. Er würde sich ihr später widmen; in der Zwischenzeit wartete ein Fest mit guter Musik und Getränken auf ihn. Und er würde zum ersten Mal zusehen dürfen, wie seine Brüder sich vor ihm verbeugten, denn er war jetzt Lord der Acoma. Er lächelte unter dem schiefen Hochzeitskranz und forderte seine Sklaven mit einem leichten Händeklatschen auf, ihn aus der Halle zu tragen.
Mara blieb zurück, obwohl die meisten der Hochzeitsgaste dem Beispiel des Lords folgten. Die Sonne stand jetzt hoch am Mittagshimmel, und über den entfernten Needra-Weiden flimmerte bereits die Hitze. Die ranghöchsten Gäste begaben sich in ihre Gemächer und schickten ihre Bediensteten fort, um sich kühle Getränke und frische Kleidung bringen zu lassen. Dann tauchten sie wie buntschillernde Vögel wieder auf, um sich bis zur Ankunft des kühleren Abends an aromatisiertem Eis, gekühlten Jomach-Früchten und San-Wein zu ergötzen.
Die rangniedersten Gäste hingegen blieben in der stickigen Enge der Halle sitzen, während gemietete Darsteller oder ein talentiertes Familienmitglied als Geschenk für das verheiratete Paar etwas vorspielten, sangen, oder vortrugen. Bei kleineren Hochzeiten wohnten die Braut und der Bräutigam aus Höflichkeit den ersten Darbietungen bei; in größeren Häusern waren die wirklich aufsehenerregenden Ereignisse erst sehr spät zu erwarten, so daß die Brautpaare sich häufig zurückzogen und die Vorführungen des ersten Tages hauptsächlich der Erheiterung der Bediensteten dienten, die nicht arbeiten mußten.
Doch Mara war die gesamte erste Runde der Vorstellungen anwesend und sah einem Jongleur zu, der als Komödiant erfolgreicher war, zwei Sängern, einem Zauberkünstler – dessen Magie ausschließlich aus Taschenspielertricks bestand – und einem Poeten, dessen eigener Herr während seines Vortrags vernehmlich schnarchte. Nach jeder Vorführung applaudierte Mara höflich, und wenn sie die Darbietung auch nicht besonders auszeichnete, indem sie ein paar der Blumen von der Sänfte hinunterwarf, so wartete sie doch höflich die Pause ab. Diejenigen Darsteller, die danach folgen würden, warteten ein wenig angespannt; sie waren überzeugt, daß sie die Pause nutzen würde, um zum Fest aufzubrechen. Doch Mara ließ nicht die Sänftenträger kommen, sondern beauftragte ihre Dienerin, ein Tablett mit einigen Erfrischungen zu bringen. Die Gäste murmelten überrascht.
Der fette Händler aus Sulan-Qu in der ersten Reihe errötete und versteckte sich hinter dem Fächer seiner Frau. Selbst in seinen kühnsten Träumen hätte er nicht daran zu glauben gewagt, daß die Lady der Acoma beim Flötenspiel seines Sohnes anwesend sein würde. Der Junge mußte ein fürchterliches Gehör haben, doch seine Mutter blühte auf vor Stolz. Mara blieb auf dem Podest und nippte an dem kühlen Jomach-Saft.
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