Die Auserwaehlte
der Frau zur Ehefrau und des Mannes zum Ehemann zu ehren. Nachdem Keyoke die rituelle Fackel über die Türschwelle geworfen hatte, wandte er sich still den Unterkünften der Wachen zu, um dort auf die Befehle seines Lords zu warten. Papewaios Gesicht war noch immer eine steinerne Maske. Mit einer Intensität, die in ihrer Unbeweglichkeit geradezu unheimlich war, sah er zu, wie das Papier und die Rahmen, die verschmutzten Kissen und zerwühlten Laken in Flammen aufgingen. Niemals hatte er sich glücklicher gefühlt angesichts eines Brandes, denn indem er der Gewalt des Feuers zusah, konnte er beinahe das Mal auf Maras Gesicht vergessen.
Nacoya war nicht im Arbeitszimmer. Mit einem unangenehmen Stich erinnerte sich Mara daran, daß ihre Heirat auch die bisherige Ordnung verändert hatte. Das Arbeitszimmer war jetzt der Bereich Buntokapis, des Herrschers der Acoma. In Zukunft würde nichts in dem Haushalt mehr so sein, wie sie es gewohnt war. Jican würde wie zuvor seine Rechnungen in dem Flügel zusammenstellen, der den Schreibern zugewiesen war, doch sie würde ihn nicht länger empfangen. Trotz ihrer erst siebzehn Jahre fühlte sie sich müde und zog sich in den Schatten des Ulo-Baumes in ihrem eigenen kleinen Garten zurück. Sie setzte sich nicht, sondern lehnte sich nur an die weiche Rinde des Baumes, während der Läufer sich beeilte, Nacoya zu holen.
Das Warten schien unendlich lang zu dauern, und auch das plätschernde Wasser des Springbrunnens konnte sie nicht beruhigen. Als Nacoya dann endlich atemlos und mit gewohnt schief sitzenden Haarnadeln auftauchte, konnte Mara sie nur still und kummervoll anstarren.
»Mistrcss?« Die Amme trat zögernd einen Schritt vor. Ihr Atem stockte, als sie das Mal auf Maras Wange sah. Wortlos breitete sie die Arme aus. Im nächsten Augenblick war die Lady der Acoma nur noch ein verängstigtes Mädchen, das sich in den Armen ihrer alten Amme ausweinte.
Nacoya strich ihr über die Schultern, während ein Schluchzer nach dem anderen Mara schüttelte. »Mara-anni, Tochter meines Herzens«, murmelte sie. »Ich sehe, daß er nicht sehr sanft war, dieser Lord, den Ihr geheiratet habt.«
Für kurze Zeit erfüllte nur das traurige Plätschern des Brunnenwassers die Lichtung. Dann, schneller als Nacoya erwartet hätte, richtete Mara sich auf. Sie sprach mit überraschend fester Stimme: »Er ist der Lord, dieser Mann, den ich geheiratet habe. Aber der Name Acoma wird ihn überleben.« Sie schneuzte sich die Nase und berührte das Mal in ihrem Gesicht. Sie sah ihre frühere Amme mit einem verletzten, bittenden Blick an. »Und, Mutter meines Herzens, bis ich empfange, muß ich die Kraft finden, mit Dingen zu leben, über die mein Vater und mein Bruder weinen würden.«
Nacoya klopfte die Kissen unter dem Ulo ein wenig fest und drängte Mara, sich zu setzen. Ihre alten Hände sorgten dafür, daß das Mädchen gemütlich saß, während eine Dienerin mit einer Schüssel kühlem Wasser und weichen Tüchern herbeieilte. Mara lehnte sich in die Kissen zurück, als Nacoya ihr Gesicht wusch. Dann kämmte sie die Strähnen des glänzendschwarzen Haares, wie sie es immer getan hatte, als die Lady noch ein kleines Kind gewesen war. Währenddessen sprach sie mit weicher Stimme zu ihrer Herrin:
»Mara-anni, letzte Nacht hat Euch keine Freude gebracht, das weiß ich wohl. Aber versteht in Eurem Herzen, daß der Mann, den Ihr geheiratet habt, so ungestüm ist wie ein Needra-Bulle zur Zeit seines dritten Frühlings. Urteilt nicht über alle Männer nur aufgrund der Erfahrung mit einem einzigen.« Sie hielt inne. Keine von ihnen sprach darüber, daß Mara ihren Rat abgeschlagen und sich dickköpfig geweigert hatte, sich durch eine sanfte Begegnung mit einem Mann aus der Ried-Welt Kenntnisse über Männer zu verschaffen. Nacoya tupfte kühles Wasser auf die Wunde ihrer Herrin. Der Preis ihrer Halsstarrigkeit war jetzt schmerzhaft erzwungen worden.
Mara seufzte und öffnete die geschwollenen Augen. Der Blick, den sie ihrer Amme zuwarf, enthielt schmerzhafte Unsicherheit, aber kein Bedauern. Nacoya legte die Tücher und die Schüssel mit Wasser beiseite und nickte mit nachdenklicher Zustimmung. Dieses Mädchen mochte jung sein, zierlich und mitgenommen, aber sie besaß die Stärke ihres Vaters, wenn es um die Familie ging. Sie würde es ertragen, und der Name der Acoma würde fortbestehen.
Mara zupfte an ihrer Tagesrobe und verzog das Gesicht, als der Stoff über die wunden Brustwarzen scheuerte.
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