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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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Jeremy habe die traurigsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Jetzt glaubte ich, er habe die zornigsten.
    Aber wie war Jeremy an dem Wachposten vorbeigekommen? Und woher hatte er gewusst, dass ich hier war?
    Er streckte seine freie Hand aus, um mir auf die Beine zu helfen, dann zog er sie wieder zurück, sodass ich sie nicht zu greifen bekam.
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich kann nicht.« Was er nicht konnte, sagte er nicht, aber ich verstand. Als ich das letzte Mal seine Hand berührt hatte, war ich auf dem Fußboden von Mr Kales Klassenzimmer wieder zu Bewusstsein gekommen.
    Ich rappelte mich ohne seine Hilfe auf, doch ein tiefes, grollendes Brummen, das wie ein Motorrad im Leerlauf klang, ließ mich erstarren.
    Jeremy und ich sahen beide in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Rosemarys schwarze Augen funkelten im Kerzenschein.
    »Keine plötzlichen Bewegungen«, warnte mich Jeremy, doch ich griff sofort zum Pfefferspray. Ich hatte darum zu kämpfen, meine Hand in die Hosentasche zu bekommen. Verdammte Röhrenjeans!
    Schließlich fummelte ich die Dose heraus, und wir bewegten uns langsam zum Zelteingang, während uns die Augen des riesigen Hundes folgten. Dann knurrte er eine Warnung, die jedoch zu spät kam. Eine Hand packte mich am Knöchel und riss mein Bein unter mir weg. Ich landete flach auf dem Bauch im Sand. Mir blieb die Luft weg.
    Die Augen des Dealers waren weit aufgerissen. Voller Wut. Doch dieses Mal war ich vorbereitet. Ich richtete das Pfefferspray genau auf seine Augen – zumindest hoffte ich, dass die Düse in die richtige Richtung zeigte – und drückte auf den Knopf.
    Sssssss!
    Der Dealer schrie auf und ließ mich los, um sich die Hände auf die Augen zu pressen. Er hustete los, als sei er kurz vorm Ersticken. Mein Rachen fing ebenfalls zu brennen an, dann hustete auch ich. Und Jeremy ebenfalls. Ich krümmte mich und hatte das Gefühl, als hätte ich eine Hand voll Feuerameisen verschluckt, die sich zu meiner Lunge vorarbeiteten. Meine Augen füllten sich mit Tränen und sonderten dicke Tropfen ab, die sich zähflüssig wie Öl anfühlten.
    Der Dealer griff blind nach mir. Ich krabbelte wie ein Krebs durch den Sand.
    Rosemary bellte. Der Lärm war ohrenbetäubend und schien die Zeltwände erbeben zu lassen. Dann sprang sie auf und stieß eine Duftkerze um, die auf den Kissenberg fiel. Sofort loderten Flammen auf und griffen auf die Zeltwand über, als sei alles mit Benzin getränkt, was in Anbetracht der kürzlich aufgetragenen violetten Farbschicht auch durchaus möglich war.
    Rosemarys Zähne vergruben sich im Arm des Dealers, und sie schüttelte heftig den Kopf, als versuche sie, ihm die Knochen zu brechen. Der Dealer schrie.
    Ich rappelte mich wieder auf und blickte auf den Dealer hinunter. »Sie hatten Recht«, krächzte ich, da meine Kehle vom Pfefferspray wund war. »Sie mag mich tatsächlich.«
    Das Feuer verzehrte den Kissenberg und hatte die gegenüberliegende Zeltwand bereits fast ganz erfasst. Die Hitze wurde unerträglich. Trotzdem zog ich in Erwägung, schnell nach den Medikamenten zu suchen, bis mir einfiel, dass der Dealer sie in einem Safe aufbewahrte.
    Jeremy bedeckte seinen Mund mit seinem T-Shirt und winkte mich zum Ausgang.
    Ich spürte das Gewicht der Niederlage auf meinen Schultern. Die Medikamente waren weg.
    Um das Zelt des Dealers hatte sich eine Schar Schaulustiger versammelt, doch niemand unternahm den Versuch, das Feuer zu löschen. Da der Dealer allen untersagt hatte, im Umkreis von zehn Metern um sein Zelt ein anderes Zelt aufzustellen, glaubten sie vermutlich, dass sich das Feuer nicht ausbreiten werde. Anscheinend hatte der Dealer nicht viele Freunde unter den Bewohnern der Zeltstadt. Selbst sein Wachposten hatte sich aus dem Staub gemacht – zumindest dachte ich das, bis ich ihn ein kleines Stück neben dem Zelt bewusstlos im Sand liegen sah. Nein … nicht bewusstlos. Er hatte die Augen geöffnet, zuckte jedoch, als befände er sich in einer Art REM-Phase.
    »Was ist mit ihm passiert?« Meine Stimme kratzte sich den Weg durch meine Kehle frei. Aus meinen brennenden Augen sickerten noch immer Tränen.
    Jeremy zuckte mit den Schultern und wendete den Blick ab. »Vielleicht ist er Epileptiker.«
    »Das ist praktisch.« Bevor ich die Gelegenheit hatte, meinen Verdacht kundzutun, dass Jeremy dem Wachposten irgendetwas angetan hatte, kam Rosemary aus dem Zelt des Dealers geschossen und stürmte in die Menschenmenge.
    »Hündchen!«, rief ein

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