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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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mich nicht dabei, dass ich herumstand, sondern ich zwang mich dazu herumzustehen. Die Suchenden und ich hatten noch eine Rechnung offen, und ich hatte vor, sie ein für alle Mal zu begleichen.
    Mr Kale stand allein an der nach Westen ausgerichteten Fensterfront und kehrte mir den Rücken zu. Hinter den Scheiben glitzerte das Meer, im dem sich das Sonnenlicht spiegelte. Der Ausblick war nur durch den Rauch, der aus der Zeltstadt aufstieg, ein wenig getrübt.
    Ich ließ die mit einem automatischen Schließmechanismus ausgestattete Tür hinter mir zuschlagen, um meinen Auftritt anzukündigen, doch Mr Kale zuckte nicht einmal zusammen. Er drehte sich langsam um.
    »Heute ganz allein?« Ich machte eine Show daraus, den Raum abzusuchen, als würden sich seine maskierten Lakaien womöglich unter den Tischen verstecken.
    Mr Kale schlenderte durch den Mittelgang auf mich zu und ließ sich dabei Zeit. Ich nahm zur Kenntnis, dass seine Hände nicht bandagiert waren und dass nichts mehr von der geschwärzten Haut zu sehen war, mit der ich ihn bei unserer letzten Begegnung zurückgelassen hatte. Er hob die Hände, um seine Handflächen zu betrachten, als wolle er sich in Erinnerung rufen, was mit ihnen geschehen war. »Rasches Heilen«, sagte er mit seiner knirschenden Stimme. »Das ist einer der Vorteile, die wir genießen.«
    »Suchende?«
    »Leute, die den Funken besitzen«, sagte er und blickte auf. »Leute wie Sie und ich. Das liegt an der Energie, die in uns gespeichert ist. Sie verändert die Funktionsweise unseres Körpers. Ich bin sicher, Ihnen sind Unterschiede aufgefallen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Bei mir sind Verletzungen nie besonders schnell verheilt.« Ich hatte genug Erfahrung, auf die ich zurückgreifen konnte, nachdem ich unzählige Male vom Blitz getroffen worden war. Andererseits hatte ich überlebt, was mich eigentlich mehrmals hätte töten sollen. Vielleicht war an seiner Behauptung doch etwas dran.
    »Vermutlich ist jeder von uns einzigartig, was unsere Fähigkeiten anbelangt.« Mr Kales Mundwinkel gingen nach unten, und ich wusste, dass er daran dachte, wie seine Hände vierundzwanzig Stunden zuvor ausgesehen hatten: wie Fleisch, das zu lange auf dem Grill gelegen hatte.
    »Ich bin nicht gekommen, um über diese Dinge zu sprechen«, sagte ich zu ihm.
    »Warum sind Sie dann gekommen?«
    »Wissen Sie das nicht bereits? Können Sie nicht einfach meine Gedanken lesen?«
    »Wenn Sie möchten, kann ich das tun.«
    »Nein, das möchte ich nicht. Nennen Sie mich altmodisch, aber zu reden genügt mir vollkommen.«
    »Dann reden Sie.«
    Also redete ich. Ich erzählte ihm von Katrina und dass sie mich angelogen hatte, um mich auf den Rove zu locken. Während ich sprach, verfinsterte sich Mr Kales Miene.
    »Dieses Mädchen«, sagte er, als ich fertig war. Er schüttelte den Kopf und seufzte. Selbst sein Seufzen klang scharfkantig, eher wie ein Knurren. »Ihr Benehmen wirft ein schlechtes Licht auf die Suchenden. Ich möchte sie nicht in Schutz nehmen, aber seit dem Tod ihrer Mutter ist sie völlig unkontrollierbar.«
    Ich blinzelte ihn mit offenem Mund an und war ebenso perplex, wie ich es gewesen wäre, wenn er mich geohrfeigt hätte. »Wann ist ihre Mom denn gestorben?«
    »Kurz nach dem Erdbeben.«
    »Das … das wusste ich nicht.«
    »Katrina spricht nicht darüber. Sie stürzt sich in Arbeit, um sich abzulenken.«
    Ich wappnete mich gegen das Mitgefühl, das in mir aufwallte. Ich wollte Katrina nicht bemitleiden. Ich wollte sie hassen. »Das tut mir leid für sie, wirklich, aber es ist keine Entschuldigung für das, was sie mir angetan hat.«
    Mr Kale nickte. »Nein, das ist es nicht, und wenn ich gewusst hätte, was sie im Schilde führt, hätte ich der Sache einen Riegel vorgeschoben. Katrina ist den Suchenden gegenüber ungemein loyal. In dieser Hinsicht ist sie wie ihre Mutter. Die Suchenden und unsere Sache haben höchste Priorität, und sie würde alles tun, um für unseren Sieg über den falschen Propheten zu sorgen, selbst wenn dabei die Sicherheit eines anderen Menschen aufs Spiel gesetzt wird. Oder ihre eigene.« Aus seiner Stimme klang Verbitterung.
    Ich fragte leise: »Katrinas Mom … War sie Ihre Schwester?«
    »Meine Zwillingsschwester. Sie hieß Irene.«
    Ich zuckte zusammen. »Ist sie bei dem Erdbeben gestorben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir mussten jemanden aus unseren Reihen in die Kirche des Lichts einschleusen, um mehr über Prophet und seine Absichten zu erfahren. Irene hat

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