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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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werde – « Er trat einen Schritt vor und hob seine Hand, doch Erin hielt sie fest, während Yolanda sich schützend vor mich stellte.
    »Was habe ich getan?« rief ich voller Verzweiflung.
    Salvador stieß ein wütendes Grollen aus, stürzte nach vorn und packte die Kappe des Zhlonjiz-Gefäßes. »Das hast du getan, du dummes kleines Miststück!« Er fuchtelte mit dem Bruchstück der Kappe vor meiner Nase, dann schleuderte er es mir vor die Füße und stürmte an mir und Yolanda vorbei. An der Tür blieb er stehen, drehte sich um und zeigte mit dem Finger auf uns. »Du hast kein Recht, hier zu sein«, erklärte er Yolanda.
    »Leck mich«, gab Großmutter gelassen zurück.
    »Und du«, rief er und zeigte auf mich. »Du kannst dich anständig anziehen und darüber nachdenken, als Büßerin auf den Knien zu mir gekrochen zu kommen, wenn dir eine Entschuldigung für deinen Verrat einfällt!« Er stürmte hinaus. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf Schwester Jess draußen auf dem Flur, dann schlug die Tür zu, und der Knall hallte von der Holztäfelung des Büros wider.
    Ich wandte mich zu Yolanda um, dann zu Erin und schließlich zu Allan, während mir Tränen in die Augen sprangen. »Was hat das alles zu bedeuten?« rief ich aus und versuchte, nicht zu jammern, doch es wollte mir nicht gelingen.
    Erin seufzte, bückte sich und hob die Kappe der Zhlonjiz- Phiole auf. Sie schüttelte den Kopf. »Warum hast du das getan, Isis?« fragte sie.
    »Was?« erwiderte ich. »Das Zhlonjiz zu nehmen?«
    »Ja!« sagte Erin mit Tränen in den Augen.
    »Das ist es also, worum es hier geht!« rief ich aus. »Ich dachte, dazu wäre es gedacht gewesen!«
    »O Isis«, seufzte Allan bekümmert und ließ sich auf seinen Stuhl sinken.
    »Dachtest du, Gott hätte es dir befohlen?« fragte Erin, scheinbar verwirrt.
    »Nein«, erklärte ich. »Es war meine eigene Entscheidung.«
    »Warum also?« fragte Erin flehentlich.
    »Weil es mir richtig schien, es zu tun. Was hätte ich denn sonst -?«
    »Aber es stand dir nicht zu, diese Entscheidung zu treffen!«
    »Warum nicht? Wen hätte ich den fragen sollen? Zeb?«
    »Zeb?« Erin sah mich verwirrt an. »Nein; deinen Großvater natürlich!«
    »Wie hätte ich ihn denn fragen sollen?« brüllte ich; ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie redete.
    »He«, mischte Yolanda sich ein. »Ich denke, ihr beide solltet – «
    »Was meinst du mit ›wie‹?« schrie Erin. »In dem du von Angesicht zu Angesicht mit ihm sprichst, natürlich!«
    »Ich war in London; wie hätte ich – «
    »London?« sagte Erin. »Wovon redest du?«
    »Ich rede davon, daß ich in London das Zhlonjiz genommen habe«, erwiderte ich und versuchte, mich zu beherrschen. »Wie hätte ich – «
    »Nun, ich rede davon, daß du es von hier mitgenommen hast«, sagte Erin. »Wie konntest du nur? Wie konntest du es einfach mitnehmen? Wie konntest du es uns stehlen?«
    »… ah«, hörte ich Allan sagen.
    »Ich – « setzte ich an, dann verstummte ich. »Was?« fragte ich. »Stehlen? Wovon redest du?«
    »Isis«, sagte Erin. Eine ergraute braune Strähne hatte sich aus ihrem Haarknoten gelöst; Erin blies sie aus dem Mundwinkel zur Seite. »Was wir alle wissen wollen, ist, warum du das Zhlonjiz überhaupt mitgenommen hast«, erklärte sie und sah zu Allan, der bedrückt nickte.
    Ich starrte sie einen Moment lang an, und mir war mit einem Mal, als würde der Boden unter meinen Füßen abkippen; ich hatte das Gefühl, der Raum selbst, das Herrenhaus und die gesamte Gemeinde würden plötzlich zur Seite wegsacken; meine Knie drohten unter mir nachzugeben, und ich mußte mich abermals an der Schreibtischkante festhalten. Ich spürte Großmutter Yolandas Hand an meinem Arm, die mich stützte.
    »Ich habe es nicht genommen«, erklärte ich. Der Zettel. Ich hatte den Zettel verloren. »Ich habe es nicht genommen«, wiederholte ich und schüttelte den Kopf; ich spürte, wie das Blut aus meinem Gesicht wich, während ich von Erin zu Allan und dann zu Yolanda blickte. »Man hat es mir gegeben. Es war in meinem Seesack. In meinem Seesack. Ich habe es dort gefunden. Ich habe es gefunden. Wirklich…«
    Ich setzte mich mit wackeligen Knien wieder hin.
    »Herrje«, sagte Allan und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
    Erin legte die Hand über ihre Augen und schüttelte den Kopf. »Isis, Isis«, murmelte sie und wandte den Blick ab.
    »Was ist das für ein Zeug?« fragte Yolanda. »Ist das eine von Salvadors heiligen

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