Die Auserwählte
Schneidersitz auf den angewiesenen Platz. Großvaters zimmergroßes Bett war der einzige Ort, an dem uns erlaubt war, ohne Sitzbrett Platz zu nehmen; die Weichheit war etwas seltsam Beunruhigendes, wenn das Hinterteil an die Härte von Holz gewöhnt war.
Großvater griff unter eins der riesigen Kissen in seinem Rücken und holte eine Flasche und zwei schwere Kristallgläser hervor. Er reichte mir eins der Gläser, stellte das andere neben sich auf das Bord und schenkte uns beiden Whisky ein. Noch mehr Alkohol, dachte ich bei mir. Aber was machte das schon?
Er prostete mir zu, auch wenn sein Gesichtsausdruck ernst blieb. Wir tranken. Der Whisky war mild, und ich mußte nicht husten.
Großvater seufzte tief und lehnte sich wieder in die Kissen. Er schaute in sein Glas, dann wanderte sein Blick langsam zu mir hoch.
»Also, Isis: Willst du mir nun sagen, warum?« fragte er; seine tiefe, wohltönende Stimme klang belegt, beinahe heiser.
»Großvater«, erwiderte ich, »ich habe die Phiole nicht genommen. Sie lag in meinem Seesack. Ich wußte nicht, daß sie dort war, bis ich sie in Gertie Possils Haus fand.«
Er sah mir lange und durchdringend in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick. Er schüttelte den Kopf und sah an die gegenüberliegende Wand.
»Also hattest du nichts mit alledem zu tun? Und du hast auch keine Ahnung, wer sie dort hineingelegt haben könnte?«
»Nicht die leiseste.«
»Nun, wen willst du also beschuldigen, Isis?«
»Ich will niemanden beschuldigen. Ich habe darüber nachgedacht, wer es getan haben könnte, und es hätte jeder gewesen sein können. Ich habe keine Ahnung, wer es war.«
»Man hat mir erzählt, du würdest behaupten, da wäre auch ein… Zettel gewesen«, sagte er und betonte das Wort dabei so, daß es ebenso klang, als würde jemand etwas Ekliges mit zwei spitzen Fingern hochheben.
»Es stand ›Für den Fall, daß du es brauchst‹ darauf, oder etwas ähnliches; ich kann mich an den genauen Wortlaut nicht erinnern. Es war mit einem ›S‹ unterschrieben.«
»Aber jetzt ist er natürlich verschwunden.«
»Ja.«
»Ist es dir denn überhaupt nicht verdächtig vorgekommen?« fragte er mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck. »Kam es dir nicht seltsam vor, daß ich dir unsere wertvollste Substanz, unsere letzte Verbindung mit Luskentyre, mitgegeben haben sollte, auf daß du sie unter die Unerretteten trägst?«
Ich starrte in mein Glas. »Ich habe es als Kompliment verstanden«, erklärte ich. Mein Gesicht brannte. »Ich war überrascht, und ich fühlte mich geschmeichelt, aber es kam mir nicht einen Moment in den Sinn, es verdächtig zu finden; ich dachte, du würdest mir deinen Segen geben und versuchen, den Erfolg meiner Mission zu garantieren, indem du mir etwas mitgabst, das mir sowohl spirituellen Beistand leisten als auch von praktischem Nutzen sein würde.«
»Und war es das? Von praktischem Nutzen, meine ich.«
»Nein.«
»Du hast etwas davon genommen.«
»Das habe ich. Es… ich war außerstande, Nutzen daraus zu ziehen. Ich weiß nicht, warum. Ich hoffte, ich wurde Gottes Stimme deutlicher hören, aber…«
»Also hast du eine der illegalen Drogen der Unerretteten ausprobiert.«
»Das habe ich.«
»Was auch nicht funktionierte.«
»Nein.«
Er schüttelte den Kopf und trank den Rest des Whiskys in seinem Glas. Er schaute auf mein Glas, während er nach der Flasche griff. Auch ich trank aus. Er füllte unser beider Gläser nach. Ich räusperte mich, und meine Augen tränten.
»Habe ich das richtig verstanden, Isis, daß der Ruhm unserer Schwester Morag sich nicht auf… heilige Musik oder selbst Musik in irgendeiner Form gründet, sondern auf das Ausüben des Geschlechtsverkehrs, auf daß er auf Film gebannt und an jeden der Unbedarften, der ein solches Ding zu erstehen wünscht, verkauft wird?«
»So scheint es.«
»Bist du sicher?«
»Ziemlich sicher. Da war eine Nahaufnahme von ihrem Gesicht in hellem Sonnenschein; sie lutschte…«
»Ja. Nun, wir werden dir vorerst glauben, Isis, aber ich denke, wir werden es uns mit eigenen Augen ansehen müssen, so unangenehm die Aufgabe auch sein mag.«
»Das könnte möglich sein, ohne ein Fernsehgerät in unsere Mitte zu bringen; einer von Bruder Zebs Freunden, ein Mann namens Boz, war überzeugt, daß er eine pornographische Zeitschrift gesehen hätte, in der Morag abgebildet war.«
Großvater schüttelte traurig den Kopf.
»Ich denke, ich sollte an dieser Stelle erwähnen, daß ich zwar außerstande war,
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