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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Beweise dafür zu finden, daß Morag immer noch öffentlich musiziert, es aber dennoch durchaus möglich ist, daß sie es tut, obgleich – «
    »Oh, genug davon«, schnitt er mir wütend das Wort ab.
    »Nun, es könnte trotzdem sein, daß – «
    »Welche Rolle würde das noch spielen?« rief er aus. Er trank seinen Whisky in gierigen Schlucken.
    Ich nippte an meinem. »Man könnte es in gewisser Hinsicht immer noch als ein heiliges Werk betrachten, Großvater«, bemerkte ich. »Sicher, es wird um des Profits willen getan und es beinhaltet die Verbreitung von Lügen und Störgeräuschen, aber der Akt selbst ist immer noch heilig, und – «
    »Ach, was weißt du denn schon davon, Isis?« Er sah mich verächtlich über den Rand seines Glases hinweg an.
    Ich spürte, wie ich abermals errötete, aber ich hielt seinem Blick dennoch stand. »Ich weiß davon, was du mir erzählt hast; was du uns allen erzählt hast, in deinen Lehren!« gab ich zurück.
    Er wandte den Blick ab. »Lehren verändern sich«, sagte er, und seine Stimme grollte wie Donnerhall aus den dichten Wolken aus Haar.
    Ich starrte ihn an. Ich schaute in mein Glas.
    Ich schluckte. »Sie können sich wohl kaum derart ändern, daß wir uns den Unbedarften in ihrer Angst vor der Liebe anschließen!« rief ich aus.
    »Nein«, erwiderte er. »Das habe ich nicht gemeint.« Er seufzte, dann deutete er mit einem Nicken auf mein Glas. »Trink aus; wir werden der Wahrheit in dieser Angelegenheit noch auf die Spur kommen.«
    Ich trank aus, kippte den Whisky in einem einzigen Zug herunter, so daß ich mich verschluckte. War dies irgendeine sonderbare neue Zeremonie? Glaubten wir nunmehr daran, daß man die Wahrheit am Boden einer Flasche finden könnte? Was ging hier vor? Wovon redete er? Er füllte abermals unsere Gläser nach, dann stellte er die Flasche mit einem Knall zwischen zwei dicken, flackernden Kerzen auf das Bord.
    »Isis«, sagte er, und seine Stimme war mit einem Mal leise und beinahe flehend. Seine Augen funkelten. »Isis, ist irgend etwas von dem allen tatsächlich wahr?«
    »Alles, Großvater!« erwiderte ich und beugte mich vor. Er streckte den Arm aus und ergriff meine freie Hand, um sie festzuhalten.
    Er schüttelte in einer wütenden, frustrierten Geste den Kopf, dann trank er noch einen Schluck und sagte: »Ich weiß nicht, Isis, ich weiß nicht.« Tränen glitzerten in seinen Augen. »Der eine sagt dies, der andere sagt das; ich weiß nicht, wem ich glauben soll, wer die Wahrheit sagt.« Er trank einen weiteren Schluck. »Ich weiß, daß ich alt bin; ich bin zwar nicht mehr jung, aber ich bin auch noch nicht verwirrt; ich werde verwirrt, verstehst du? Ich höre Leute Dinge sagen, und ich frage mich, ob sie tatsächlich wahr sein können, und ich lausche der Stimme Gottes, und manchmal frage ich mich, ob das, was sie sagen, wirklich stimmen kann, obgleich ich weiß, daß es so sein muß, also frage ich mich, ob es an mir liegt? Aber ich weiß, daß das nicht sein kann; nach all diesen Jahren… ich weiß es einfach, verstehst du? Verstehst du, Kind?«
    »Ich denke schon, Großvater.«
    Er drückte meine Hand, die er immer noch hielt.
    »Gutes Mädchen. Gutes Mädchen.« Er leerte sein Glas, schüttelte den Kopf und schenkte mir ein schales Lächeln. »Du und ich, Isis, wir sind es, nicht wahr? Du bist meine Enkelin, aber du bist auch die Auserwählte, du bist etwas Besonderes, so wie ich, oder nicht?«
    Ich nickte zögernd. »Durch die Gnade Gottes und durch deine Lehren, ja, ich denke schon, natürlich.«
    »Glaubst du an Gott, glaubst du an die Stimme?« fragte er drängend und drückte meine Hand noch fester. Es tat langsam weh.
    »Ja«, sagte ich. »Ja, natürlich.«
    »Glaubst du an das, was gesagt wird, was gehört wird, an das, was ich empfange?«
    »Mit meinem ganzen Herzen und mit meiner ganzen Seele«, versicherte ich ihm, während ich versuchte, meine Handmuskeln anzuspannen, um seinen Griff etwas zu lockern.
    »Warum lügst du mich dann an?« donnerte er; er warf sein Glas zur Seite und stürzte sich auf mich. Ich fiel rücklings um, während er sich auf mich warf und mich aufs Bett drückte, mich bei den Schultern packte und festhielt, so daß meine noch immer untergeschlagenen Beine von seinem Bauch gegen meine Brust gepreßt wurden; ich mußte meine Hand, die noch immer das Whiskyglas hielt, zur Seite ausstrecken, damit ich nichts verschüttete, während meine andere Hand auf meiner Brust lag und unwillkürlich den Kragen

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