Die Auserwählte
sah, wie er träge den Kopf schüttelte. »Wir werden es niemals mit Bestimmtheit wissen, und irgendwann müssen wir aufhören, alles in Frage zu stellen.« Er verstummte. Er stand eine Weile da, dann nickte er abermals. Seine Schultern bebten, und er hob die Hände an die Augen. »O Isis«, sagte er mit brechender Stimme. »Hat Gott immer recht? Ich habe immer geglaubt, daß es so wäre, aber…« Er senkte den Kopf, und seine Schultern bebten stärker.
Ich stand da und schaute einen Moment lang zu, dann trat ich – zutiefst verlegen ob meiner Nacktheit – zu ihm und streckte die Arme aus, um meine Hände auf seine Schultern zu legen. Er packte meine Hände, dann drehte er sich blitzschnell zu mir um und zog mich dichter an sich heran, bis sein ausladender Bauch meinen flachen berührte. »Wir sind Strohhalme, Isis«, zischte er. Er faßte mich an den Schultern und packte mich ganz fest. »Wir sind wie Schilf in einem Sturm, das von der Flut fortgerissen wird; wer sind wir, uns Gott in den Weg zu stellen?«
Ich schüttelte den Kopf und hoffte, daß meine Augen nicht zu weit aufgerissen waren. »Ich weiß es nicht«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfallen wollte.
Er blickte zwischen uns nach unten und nickte heftig. »Setzen wir uns, Isis«, sagte er.
Wir setzten uns; ich in der Lotusposition, während er in die Hocke ging, so daß seine Arme auf seinen Knien ruhten. Er musterte mich von Kopf bis Fuß, und ich fühlte mich gleichzeitig sowohl gut und friedvoll und rein als auch schamlos, beschwipst vom Alkohol und Gott weiß was. Er schüttelte den Kopf. »Ach Isis, du bist wunderschön!« hauchte er.
»Ich bin Gottes Abbild, so wie wir alle es sind, jeder auf seine Art«, erwiderte ich mit bebender Stimme.
»Nein, nein; mehr als das«, sagte er atemlos und starrte weiter meinen Körper an. »Was Gott gesagt hat…« Er blickte mir in die Augen und breitete ganz langsam die Arme aus. »Isis«, sagte er mit belegter Stimme, »komm zu mir…«
Ich löste mich aus meiner Lotusposition, richtete mich auf meinen Knien auf und streckte zaghaft die Arme aus. Er ergriff meine Hände und zog mich zu sich, umfing mich mit seiner Wärme und drückte meine Arme zur Seite und nach oben.
»Isis, Isis«, hauchte er und vergrub den Kopf zwischen meinen Brüsten. Sein Atem ging keuchend.
»Großvater«, sagte ich zu der kahlen Stelle im Dickicht seines wallenden Haars. »Was hat Gott gesagt?«
»Isis!« hauchte er wieder; er hob seinen Kopf zu meinem und preßte mich fester an sich, so daß ich jede Speckrolle seines Rumpfes fühlen konnte. »Isis!« sagte er und rieb seinen Kopf zwischen meinen Brüsten von einer Seite auf die andere. »Wir sind in Seiner Macht, unter Seiner Kontrolle! Wir müssen tun, was Er uns befiehlt.«
Seine Hände umfaßten meine Gesäßbacken und kneteten sie. Er hob den Kopf und schob sein Gesicht ganz dicht an das meine. »Wir müssen unsere Seelen vereinigen, Kind. Wir müssen uns vereinigen!« Er drängte mit seinem Mund zu meinen Lippen.
»Was?« rief ich entsetzt aus und versuchte, ihn wegzustoßen. »Aber, Großvater!«
»Ich weiß!« schrie er heiser, während sein Kopf sich hektisch nach rechts und links wandte in dem Versuch, unsere Lippen zusammenzubringen. »Ich weiß, daß es falsch erscheint, aber ich höre Gottes Stimme!«
»Aber es ist verboten!« sagte ich und drückte gegen seine Schultern, um ihn von mir zu stoßen. Er preßte mich jetzt rücklings auf das Bett unter uns. »Es liegen zwei Generationen zwischen uns!«
»Es war verboten; jetzt ist es das nicht mehr. Es war ein falsches Signal. Die Stimme hat es ganz klar gesagt.« Er stieß mich nach hinten, so daß mein Rücken auf das Bett klatschte; es gelang mir, ein Bein unter ihm zu befreien, so daß ich halb seitlich zu ihm lag. Er hatte seine Arme fest um meine Taille geschlungen und versuchte noch immer, mich zu küssen. »Verstehst du denn nicht, Isis? So ist es bestimmt. Wir sind die Auserwählten. Für uns gelten andere Regeln. Dies ist heilig; Gott hat seinen Segen dazu gegeben.«
»Aber du bist mein Großvater!« schrie ich und hob mühsam eine Hand vors Gesicht, um seine suchenden, drängenden Lippen wegzustoßen. Eine seiner Hände versuchte, sich an meinen Bauch nach unten zu schieben; ich hielt sie mit meiner anderen fest.
»Isis! Wir müssen uns nicht nach den dummen Regeln der Unerretteten richten! Wir sind aus der Masse erhoben, wir sind etwas Besonderes, wir können tun, was wir wollen und was
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