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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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und ein kleiner Spucketropfen flog durch die Luft und reflektierte glitzernd das Kerzenlicht. »Abtrünnige! Frevlerin! Ungläubige! Du unerrettete Metze!«
    »Das ist ungerecht, Großvater«, sagte ich, und meine Stimme wollte mir schier brechen. Ich stopfte die Hemdschöße in meine Hose. »Du bist – «
    »Gerecht?« sagte er sarkastisch und verzog das Gesicht.
    »Was ist gerecht? Gott schert sich einen Dreck um Gerechtigkeit; Gott befiehlt. Du hast kein Recht, dich Ihm zu verweigern.«
    »Ich glaube nicht, daß ich das tue«, erwiderte ich und gab mir alle Mühe, nicht zu weinen.
    »Du glaubst mir nicht«, flüsterte er.
    »Ich glaube, du wurdest… fehlgeleitet«, sagte ich verzweifelt.
    »Ach, glaubst du das, ja? Du bist kaum mehr als ein Kind; was weißt du schon von Gottes Wort?«
    »Genug, um zu erkennen, daß Er das hier niemals verlangen würde, nicht, ohne es auch mir zu sagen.«
    »Du eitles Kind! Du hast dich gegen Gott versündigt und gegen deinen eigenen Glauben.« Er schüttelte den Kopf und tappte über das Bett zu der Stelle, wo seine Robe lag. Während er sie sich über den Kopf streifte, klaubte ich eilig meine Strümpfe, meinen Schlüpfer und meine Jacke auf.
    »Ich denke, wir sollten lieber vergessen, was gerade geschehen ist, Großvater«, sagte ich, während ich meine Strümpfe anzog. Er schaute sich um, dann hob er sein Whiskyglas auf, das er quer übers Bett geworfen hatte. Er schenkte sich einen weiteren Whisky ein.
    »Ich kann es nicht vergessen«, erwiderte er. »Und Gott kann es auch nicht. Ich weiß nicht, ob das je vergessen oder vergeben werden kann.«
    Ich zog meine Jacke an. »Nun, ich halte es für das beste, wenn wir beide vergessen würden, was hier passiert ist.«
    »Du bist eine Diebin und eine Ungläubige, Kind«, sagte er ruhig; er sah mich nicht an, sondern musterte stirnrunzelnd sein Whiskyglas. »Es steht nicht in meiner Macht, dir zu vergeben.«
    »Ich bin keine Diebin; ich bin keine Ungläubige«, sagte ich, und dann begann ich doch zu weinen. Die Tränen brannten in meinen Augen und strömten über meine heißen, erröteten Wangen. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich mich so kindisch aufführte. »Du bist es, der im Unrecht ist, nicht ich«, preßte ich wütend zwischen meinen Schluchzern hervor. »Ich habe nichts getan; nichts Unrechtes. Ich wurde fälschlich angeklagt, und du weißt nichts Besseres zu tun, als zu versuchen… dich an deiner eigenen Enkelin zu vergehen!«
    Er stieß ein abfälliges Lachen aus.
    »Du bist es, der Vergebung erflehen muß, nicht ich«, erklärte ich ihm, während ich meine Tränen hochzog und mir mit meinem Schlüpfer die Wangen trocknete.
    Er machte eine geringschätzige Geste mit der Hand, noch immer, ohne mich anzusehen. »Du dummes, selbstsüchtiges… närrisches Kind«, sagte er kopfschüttelnd. »Geh mir aus den Augen. Wenn ich dich noch einmal sehe, dann nur, um deine Beichte und deine Entschuldigung entgegenzunehmen.«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. »Großvater!« rief ich voller Verzweiflung. »Was ist denn nur mit dir? Was hat dich so verändert? Warum führst du dich so auf?«
    »Isis, Kind, wenn du deine Schuld annehmen und sie vor mir beichten kannst, noch vor dem Fest, dann kannst du vielleicht doch noch deinen Anteil an den Feierlichkeiten haben«, sagte er und studierte dabei noch immer sein Glas. Er trank seinen Whisky aus, dann ging er über das Bett zur Badezimmertür; er öffnete sie – goldener Lampenschein fiel durch die offene Tür – und schloß sie hinter sich. Ich stand einen Moment lang da, dann weinte ich noch etwas. Ich stopfte mir meinen Schlüpfer in die Tasche und verließ den Raum.
    Das Wohnzimmer war verlassen; eine Lampe brannte auf dem Schreibtisch neben dem Barschrank. Ich griff meine Stiefel und rannte hinaus, dann setzte ich mich auf die oberste Stufe der Treppe, um mir im Schein einer Wandkerze die Stiefel zuzuschnüren. Schniefend und blinzelnd stieg ich die Treppe hinunter und verließ das stille Herrenhaus.

 
Kapitel
Siebzehn
     
     
    Der Himmel über dem Hof war tief, tief blau, bestreut mit den helleren Sternen, zwischen denen ein fast voller Mond prangte. Bis zum monatlichen Gottesdienst zur Feier des Vollmonds waren es jetzt noch nur wenige Tage.
    Aus den erleuchteten Fenstern des Hauses drangen Stimmen, und aus der Werkstatt neben der Schmiede hallte gedämpftes Hämmern. Der Duft von brennendem Kaminholz und appetitliche Kochgerüche buhlten um meine Aufmerksamkeit,

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