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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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war, mußte ich tatsächlich, da meine nervöse Anspannung mittlerweile mein ganzes System erfaßt hatte.
    Ich wußte aus langer Erfahrung, wo sich jedes lose Dielenbrett auf dem Flur befand, und konnte ihnen selbst in völliger Dunkelheit mühelos ausweichen. Auf der Treppe hielt ich mich dicht am Geländer, an welchem ich schließlich sogar hinunterrutschte, als ich zum Fuß der Treppe kam, um die fünf knarrenden Stufen dort zu umgehen. Die Hintertür des Farmhauses befindet sich in der alten Küche, die nun als Waschraum benutzt wird; es ist die leiseste Tür. Ich schloß sie vorsichtig hinter mir und stand draußen in der kühlen Nacht und dem Geruch von frisch gewässerten Pflanzen, der vom nach Süden liegenden Gewächshaus nebenan herübertrieb. Der Himmel war bedeckt, und der Wind roch nach Regen, aber es war trocken.
    Ich hielt mich dicht an der Wand, als ich im Uhrzeigersinn um die Gebäude der Gemeinde und außen um den Obstgarten herumschlich. Ich kletterte über eine Mauer in den Ziergarten hinter dem Herrenhaus, blickte kurz zum Himmel auf und versteckte mich hinter einem Busch. Der Mond trat einen Moment lang hinter den Wolken hervor, und in seinem Schein konnte ich erkennen, wie mein weiterer Weg auszusehen hatte. Als die Dunkelheit zurückgekehrt war, schlich ich über den Rasen am Gartenpfad entlang, bis ich den schwarzen Umriß des Hauses erreichte.
    Die Sandsteinblöcke, die alle Fenster des Hauses einfassen, haben an den Ober- und Unterkanten schmale horizontale Kerben, in denen man mit etwas Mühe Halt für Finger und Stiefelkanten findet. Ich kletterte an der Wand hinauf, bis ich das Fenstersims des Abstellraums hinter dem Büro erreichte, dann zog ich mich hoch und kniete mich auf das schmale Steingesims und holte mein Taschenmesser heraus. Ich schob die Klinge zwischen den oberen und unteren Teil des Fensterrahmens und spürte, wie sie gegen den Fensterriegel stieß. Gesegnet sei unsere Arglosigkeit in bezug auf Sicherheit.
    Die untere Fensterhälfte weigerte sich, sich zu bewegen; die obere Hälfte ließ sich jedoch mühelos nach unten schieben, und ich stieg hinüber und war im Haus. Ich schob das Fenster wieder hoch; der Rahmen quietschte und knarrte dabei leise, aber vermutlich konnte man es außerhalb des Raums nicht hören.
    Die Vorhänge des Abstellraums waren nicht zugezogen, aber der fahle Lichtschein, der von außen hereindrang, genügte nicht, daß ich mir mit seiner Hilfe eine Vorstellung von der Aufteilung des Raums verschaffen konnte, obgleich ich ungefähr wußte, wo sich die Tür zum Büro befinden mußte, und aus dem Augenwinkel vage, dunkle Umrisse von Gegenständen ausmachen konnte. Ich schlich ganz langsam rückwärts zur Tür hinüber. Bei meinem zweiten Schritt stieß ich mit dem Bein gegen etwas; ich tastete nach unten und schob mich vorsichtig an etwas vorbei, das sich wie ein Schreibtisch anfühlte. Ich stieß mit meinen Waden gegen weitere Hindernisse und hoffte, meine Schienbeine würden eine derartige Rücksichtnahme zu schätzen wissen. Dann rempelte ich mit dem Po sanft gegen ein Regal, das daraufhin schwankte. Über mir ertönte ein leises Klappern, und ich schnitt eine Grimasse, zog unwillkürlich die Schultern hoch, hielt mir die Hand über die Mütze und wartete darauf, daß mir etwas auf den Kopf fiele. Das Klappern verstummte; ich entspannte mich wieder und tastete mich weiter zur Tür, die ins Büro führte.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie verschlossen sein würde wie die Bürotür zum Flur hin, aber jetzt schoß mir durch den Sinn, daß sie es vielleicht doch sein könnte, und was sollte ich dann tun? Ich kauerte mich auf allen vieren auf den Boden und spähte unter der Tür hindurch, um mich zu vergewissern, daß im Büro kein Licht brannte. Die Tür war nicht abgeschlossen; sie schwang auf. Im Büro war es sogar noch dunkler als im Abstellraum, da die Vorhänge vor den hohen Alkovenfenstern zugezogen waren. Ich schloß die Abstellraumtür, holte meinen Kerzenstumpen heraus und zündete ihn an, dann löschte ich eilig das Streichholz.
    Ich ging hinüber zum Schreibtisch neben der Tür. Die Schubladen waren abgeschlossen. Ich knirschte mit den Zähnen, während ich im Geiste wüste Flüche ausstieß. Ich schaute mich suchend auf dem Schreibtisch um. Über der oberen rechten Schublade entdeckte ich einen weiteren Griff; ich zog daran und fand eine flache Plastiklade, in deren verschiedenen Fächern Bleistifte, Kugelschreiber, Büroklammern und

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