Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Schweiß von der Stirn und wartete. Mein Herz schien meinen ganzen Rumpf erbeben zu lassen. Es fühlte sich an, als wolle es aus meiner Brust ausbrechen. Ich fragte mich, ob man mit neunzehn wohl zu jung sei, um an einem Herzinfarkt zu sterben.
    Mehrere Minuten verstrichen; mein Herzschlag beruhigte sich. Ich pulte das gehärtete Wachs von meiner Hand und steckte die Stücke in die Tasche. Ich leckte über die schmerzende Haut darunter und wedelte mit der Hand, um die befeuchtete Stelle zu kühlen. Dann vermeinte ich, eine Stimme aus dem Abstellraum zu hören. Allans Stimme. So, als würde er mit jemandem reden.
    Ich zögerte. Es wäre blanker Wahnsinn, hinüberzuschleichen, um zu lauschen; ich würde niemals wieder rechtzeitig hinter den Vorhängen verschwinden können, wenn Allan ins Büro zurückkam. Es war offensichtlich verrückt, und es würde bedeuten, das Schicksal in Versuchung zu führen; ich hatte es gerade eben geschafft, den Schreibtisch an der Tür wieder in Ordnung zu bringen, bevor Allan den Raum betreten hatte; ich hatte mein gesamtes Glück aufgebraucht. Ich sollte hier stehenbleiben, mich mucksmäuschenstill verhalten, sollte Allan tun lassen, was immer er tat, sollte abwarten, bis er wieder gegangen war, und dann meine Suche fortsetzen. Ich drehte mich um und blickte hinaus in die Dunkelheit, zum Hof und den Farmgebäuden, nunmehr unsichtbar in der Nacht jenseits der Scheibe verborgen. Natürlich wäre es dumm – geradezu idiotisch –, hinüber zur Abstellraumtür zu gehen.
    Ich weiß nicht, was mich veranlaßte, es trotzdem zu tun. Ich verließ die relative Sicherheit meiner Vorhänge und schlich – mit einem klaren Bild vor Augen, wie der Raum im Schein von Allans Paraffinlampe ausgesehen hatte – leise durch die Dunkelheit, um an der Tür zum Abstellraum zu lauschen.
    »… dir doch gesagt, sie ist besessen«, hörte ich Allan sagen. Dann: »Ich weiß, ich weiß… Warum, hast du weitere Briefe bekommen?… Nein, nein… sie hat nichts herausgefunden. Nein, du bist dort sicher… Nun, ich weiß nicht, wie, aber sie, ähm, sie hat nichts… nun, sie hat nichts gesagt. Nein, das würde ihr nicht ähnlich sehen… Ich weiß nicht. Du hast was? Ja, genau wie diese alte Fregatte Yolanda… Ja, sie hat sie zurückgebracht.«
    Er telefonierte! Erst jetzt erkannte ich, daß er genau das tat; es war etwas derart Unvorstellbares, ein Telefon in der Gemeinde zu haben, und dann noch hier, mitten in ihrem Herzen! Er hatte eins dieser tragbaren, schnurlosen Telefone; das war es gewesen, was er aus der Schublade seines Schreibtischs geholt hatte! Er telefonierte mit jemandem! Welche Stirn dieser Mann besaß!
    Und da hatte ich mich schlecht gefühlt – war mir wie eine Sünderin vorgekommen, verdammt noch mal –, nur weil ich zwei Telefonate aus einer Zelle in Gittering getätigt hatte! Schande über dich, Bruder! Am liebsten wäre ich in den Abstellraum gestürmt und hätte ihn zur Rede gestellt, aber glücklicherweise hielt dieser Zornesausbruch nicht lange genug an.
    »… Nun, nicht lange«, sagte Allan. »Ich habe Onkel Mo gebeten herzukommen; sieht so aus, als hätten wir sie überredet, Urlaub bei ihm zu machen.«
    Also hatte Mo Allan angerufen. Mein Onkel mußte in seinem alkoholisierten Zustand die falsche Nummer gewählt haben, mußte in dem vagen Glauben gewesen sein, die Gemeinde anzurufen, hatte aber die Nummer der Woodbeans gewählt und nicht Allans. Hatten schnurlose Telefone denn auch Anrufbeantworter? Ich vermutete, daß es wohl so sein mußte, oder daß sie einen zumindest mit einem andernorts stehenden Gerät verbinden konnten. Vielleicht war das die Erklärung für die paar Minuten Stille, nachdem Allan den Abstellraum betreten hatte; er hatte seine Nachricht abgehört. Ja, natürlich; er durfte nicht mit dem Telefon gesehen werden, konnte es nicht bei sich tragen, damit es nicht plötzlich klingelte, während er mit uns zusammen war.
    »… Spayedthwaite; Richtung Norden und dann immer gerade aus«, sagte Allan. »… Mit etwas Glück morgen. Warum, was hattest du…?… Wirklich?… Rutschen?… Nun, es ist nicht gerade Spanien, aber…«
    Spanien? Hatte Morag nicht mit Mr. Leopold, ihrem Agenten/Manager, dorthinfahren sollen? Du meine Güte! Sprach er etwa mit Morag? Aber warum hatte er dann…? Ich ließ vom Spekulieren ab und lauschte lieber weiter.
    »… Oh, ich verstehe. Wirklich. Nun, jeder sollte ein Hobby haben, wie es so schön heißt… Also werden wir dich vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher