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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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die grün und braun vor dem Blau und Weiß des Himmels aufragten.
    Nachdem wir zwei Stunden lang ausgiebig gerutscht waren und uns wunde Hacken und Schultern geholt und andere knochige Stellen aufgescheuert hatten, schwammen wir noch ein paar Bahnen und beschlossen dann, es gut sein zu lassen. Wir hatten uns umgezogen und uns anschließend ins Café gesetzt.
    Morag steckte ihre Nagelfeile zurück in die kleine Umhängetasche, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und reckte sich in ihrer ganzen anmutigen Pracht, während sie sich mit den Händen das nasse Haar aus dem Nacken und weg von ihrer Bluse hielt. Wenn sie so die Arme hob, hatte es eine wahrlich dramatische Wirkung auf ihren Busen; die Wirkung auf die Anwesenden hingegen schien umgekehrt proportional zur Entfernung zu sein; Morag gab kein Anzeichen, es überhaupt zu bemerken. Ich ließ mir auch nichts anmerken, aber die Männer, die an den Nebentischen saßen, warfen verstohlene Blicke herüber, während die weiter entfernt sitzenden Männer sie mit offenerer Bewunderung anschauten und andere, die von Kleinkindern und nassen Handtüchern umgeben zwanzig Meter entfernt saßen, sich plötzlich aufrichteten und ihre kleinen Plastikstühle so hinrückten, daß sie besser herüberstieren konnten.
    Ich stieß ein leises Lachen aus und beugte mich über den Tisch. »Also, Cousine, darf ich nun davon ausgehen, daß du mich jetzt nicht mehr für verrückt oder besessen oder was sonst noch hältst?«
    »Ja«, erwiderte sie und schaute ein wenig verlegen drein. »Es tut mir leid, aber es war nicht wirklich meine Schuld, stimmt’s?«
    »Nein, ich weiß«, sagte ich. »Ich denke, ich weiß, wessen Schuld es war.«
    Ricky kam mit einem Tablett vom Tresen herüber. Ich hatte ein Kännchen Tee bestellt, Morag einen schwarzen Kaffee und Mineralwasser, und für sich selbst hatte Ricky eine Cola und einen Cheeseburger mitgebracht.
    »Also, was geht deiner Meinung nach vor?« fragte Morag mich in geschäftsmäßigem Tonfall.
    »In der Gemeinde?« fragte ich zurück. Sie nickte. »Ich bin nicht sicher«, gestand ich. »Aber ich denke, Allan will alles an sich reißen und Oberhaupt werden.«
    Morag runzelte die Stirn. »Aber er ist kein Schaltjähriger; wie will er das anstellen?«
    »Im Moment ist er es, der Großvater bei den Überarbeitungen hilft; das ist möglicherweise überhaupt nur der Grund dafür gewesen, weshalb er mich aus dem Weg haben wollte. Ich sehe nicht, wie er das Schaltjährigentum gänzlich und ersatzlos aus unserem Glauben streichen kann, aber vielleicht kann er Salvador überzeugen, daß ein wahrer Schaltjähriger männlich sein muß und ich deshalb nicht zähle, oder daß es eine Trennung geben sollte zwischen dem Auserwählten Gottes, der dann nur eine Art… eine Art Galionsfigur wäre… und der… Exekutive, könnte man es wohl nennen – der Person, der tatsächlich die Leitung der Gemeinde obliegt. Diese Person würde dann alle Zügel in der Hand halten.«
    Ich schaute zu Ricky, der mich über seinen Cheeseburger hinweg anstarrte, während seine Kiefer mit dem Essen kämpften.
    Morag bemerkte meinen Blick und schaute ebenfalls zu Ricky. »Ist schon in Ordnung, Rick«, erklärte sie. »Wir führen hier nur Gott-Gespräche.«
    Er nickte beschwichtigt und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Cheeseburger zu.
    »Vielleicht liegt es auch nur an mir«, sagte ich achselzuckend. »Vielleicht hat er irgendwie das Gefühl, ich hätte ihm irgendein Unrecht angetan, und er dürstet danach, mich persönlich zu vernichten…« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nein; ich denke, er tut das alles allein für sich selbst und für Mabon, seinen Sohn.«
    »Vielleicht hat er Angst vor dir?«
    Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, um zu sagen, daß das nicht sein könne, aber dann fiel mir Allans Gesicht wieder ein und der Ausdruck, den ich so oft darauf gesehen hatte, daß ich es schon gar nicht mehr zählen konnte – zum ersten Mal an jenem Tag, als ich den Fuchs, der tot auf der Wiese neben der Straße lag, zum Leben erweckt hatte. Ich schloß meinen Mund wieder und blickte achselzuckend zu Boden.
    »Und was ist mit Salvador?« fragte Morag. »Bist du sicher, daß nicht der Alte höchstpersönlich hinter der ganzen Sache steckt?«
    »Nein, ganz sicher bin ich nicht… aber doch ziemlich. Ich denke, er hat nur die Gunst der Stunde genutzt.« Ich lachte grimmig. »Und versucht, meine Gunst zu erzwingen.«
    »Der alte Dreckskerl«, sagte Morag. Ricky schaute abermals

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