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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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würde mehr wissen, als er zugab. Manchmal hatte er einen ganz komischen Blick. Verschlagen.« Sie nickte. »Verschlagen. Das ist das Wort. Verschlagen.« Sie schien sehr zufrieden mit diesem Wort und sah mich mit einem Ich-hab’s-dir-gesagt-Blick an.
    Ich begann zu bezweifeln, ob ich meiner Großtante je den Ernst der Lage würde begreiflich machen können. Nun, zumindest den Ernst meiner Lage. Ich fühlte mich erschöpft. Es mußte eine gute Stunde gedauert haben, erst die jüngste Geschichte der Gemeinde und dann ausführlich von meinen Abenteuern während der letzten vierzehn Tage zu erzählen. Ich mußte mittlerweile mein Gähnen unterdrücken und tat dies, indem ich die Zähne fest zusammenbiß und vorgab, ich würde mich nur recken. Zhobelia schien es nicht zu bemerken.
    »Die Sache ist, Großtante, daß er Lügen über mich verbreitet. Allan; er verbreitet Lügen über mich, und ich glaube, er will die Führung der Gemeinde an sich reißen. Ich mache mir nicht nur um mich selbst Sorgen, ich mache mir Sorgen um die gesamte Gemeinde; um unseren Glauben. Ich glaube, Allan will ihn verändern, damit er… nicht mehr so wie früher ist. Kommerzieller, vielleicht. Sie haben angefangen, Briefe mit Bitten um Geld zu verschicken«, sagte ich, um uns wieder auf jenes Thema zurückzubringen. »Das haben wir noch nie getan! Kannst du dir das vorstellen, Großtante? Wir betteln um Geld. Ist das nicht beschämend?«
    Sie stieß einen abfälligen Laut aus und nickte zustimmend. »Die Wurzel allen Übels, wie man so schön sagt. Ja ja. Hmm. Ja.«
    »Wir sind immer ohne das Geld von anderen ausgekommen, gerade das macht es so schlimm.«
    »Schlimm. Ja. Hmm. Schlimm«, pflichtete sie nickend bei.
    »Geld hat in der Geschichte unseres Glaubens nie eine Rolle gespielt«, ließ ich nicht locker; es war schon etwas hinterlistig, aber ich war mittlerweile am Verzweifeln.
    Großtante Zhobelia saß da, zog ihre Strickjacke fester um ihre Schultern und beugte sich vor, um mir abermals das Knie zu tätscheln. »Soll ich dir von dem Geld erzählen?«
    »Ja, bitte. Erzähl mir davon.«
    »Wirst du es auch nicht weitererzählen?« flüsterte sie und schaute sich dabei verschwörerisch um.
    Was sollte ich darauf antworten? Wenn ich mich weigerte, ihr eine derartige Versicherung zu geben, würde sie mir vielleicht nichts sagen, doch möglicherweise würde ich das, was sie mir zu berichten hatte – so es Auswirkung auf meine Lage hatte –, als Munition brauchen. Ich fragte mich, wie hoch wohl die Chancen standen, daß sie es herausfinden würde, wenn ich mein Versprechen gab und hinterher brach, und begann, die Risiken zu kalkulieren. Dann setzte ein höher in der Befehlskette angesiedelter Teil meines Verstands diesem kleinmütigen Treiben ein Ende.
    »Es tut mir leid, ich kann es dir nicht versprechen, Großtante«, erklärte ich ihr. »Es könnte sein, daß ich es jemandem erzählen muß.«
    »Oh.« Sie schaute verblüfft drein. »Oh. Nun, dann sollte ich es dir wohl besser nicht sagen, oder?«
    »Großtante«, sagte ich und ergriff ihre Hand. »Ich werde versprechen, es niemandem zu erzählen, solange es nicht zum Wohle von uns allen ist.« Ich hatte nicht das Gefühl, wirklich gesagt zu haben, was ich meinte, und Zhobelia schaute mich verwirrt an, so daß ich eilig zum Rückzug blies und mich für einen neuerlichen Versuch sammelte. »Ich verspreche, es niemandem zu erzählen, es sei denn, ich kann damit Gutes tun. Darauf gebe ich dir mein Wort. Ich schwöre es.«
    »Hmm. Nun. Ich verstehe.« Sie blickte stirnrunzelnd zur Decke. Dann sah sie abermals mich an, noch immer verwirrt. »Wovon habe ich gerade geredet?«
    »Das Geld, Großtante«, sagte ich und wrang die letzten Tropfen Geduld aus meinem armen, erschöpften Gehirn.
    »Ja«, bestätigte sie und schwenkte meine Hand, mit der ich die ihre hielt, nachdrücklich auf und ab. »Das Geld.« Ihr Blick wurde glasig. »Was ist damit?« fragte sie mit einem Kleinmädchengesicht.
    Ich fühlte, wie mir Tränen in die Augen sprangen. Ich wollte mich einfach nur hinlegen und schlafen. Ich schloß kurz die Augen, doch dadurch wurde mein Blickfeld nur noch unschärfer. »Woher stammte dieses Geld, Großtante?« fragte ich matt und aus einer Art benommenem Nebel heraus. »Das Geld, von dem du gesprochen hast, aus der Zeit des Feuers; woher stammte es?«
    »Royal Scotland.« Sie nickte.
    »Royal Scotland?« wiederholte ich verblüfft.
    »Von der Royal Scotland Linen Bank.«
    Ich starrte sie

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