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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Lippen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Was für ein Wirbel! Und dabei ist alles nur großer Mumpitz. Das war noch etwas, was wir dem weißen Mann nie erzählt haben«, kicherte sie.
    »Was?« fragte ich verwirrt.
    »Wir hätten es selber herstellen können«, erklärte sie mir. »Es war ganz leicht herzustellen. Die Hauptzutat war… was war das noch mal? Wie nennen sie es noch? Ich sollte es wissen. Ach, das Altwerden ist so… Ja; TCP!« sagte sie triumphierend, dann runzelte sie die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein, das war’s nicht.« Sie starrte auf die Bettdecke, die Lippen geschürzt, und murmelte etwas auf khalmakistani, wie ich vermutete. Sie wechselte zu Englisch. »Wie hieß diese vermaledeite Zeugs noch? Ich müßte es eigentlich wissen, ich müßte es wissen…« Sie blickte an die Zimmerdecke und seufzte tief. »Ja!« Sie hielt einen Finger hoch. »… Sloan’s Erkältungssalbe!« rief sie aus.
    Ich beugte mich eilig vor und legte meine Hand über ihre weichen Lippen. »Großtante!« flüsterte ich eindringlich und warf abermals einen Blick zur Tür.
    »Und Koriander und andere Kräuter und Gewürze«, flüsterte sie und beugte sich dichter heran. »Unsere Großmutter, die alte Hadra, hat uns das Rezept geschickt, aber es war alles sowieso nur Mumpitz.« Sie nickte, faltete die Hände und lehnte sich mit einem feisten Grinsen zurück.
    »Das Zhlonjiz?« fragte ich. »Das war…?«
    »Sloan’s Erkältungssalbe«, bestätigte Zhobelia, und ihre wäßrigen Augen blitzten.
    »Pinimenthol. Man reibt sich damit ein. Kriegt man beim Drogisten. Nicht im Versandhandel.« Sie streckte die Hand aus und klopfte mir fest aufs Knie. »Mehr Schein als Sein, wie bei den meisten Dingen.«
    Ich nickte nur, denn mir schwirrte der Kopf. Ich fragte mich, was die anderen Kräuter und Gewürze waren. Ich fragte mich, ob das eine Rolle spielte.
    Meine Großtante tätschelte meine Hand. »Mach weiter«, drängte sie. »Das gefällt mir. Es ist spannend.«
    Ich setzte meine Erzählung fort. Während ich erzählte, wägte ich im Geiste ab, wie weit ich mich in Einzelheiten bezüglich Allans Doppelzüngigkeit ergehen und ob ich Großvaters Annäherungsversuche erwähnen sollte. Ich überlegte, beides nur beiläufig zu streifen, doch am Ende erzählte ich die ganze Geschichte, so wie ich sie auch einem engen Freund erzählt hätte, obgleich ich Cousine Morags Filme als erotisch und nicht als pornographisch bezeichnete. Ich muß gestehen, daß ich ebenfalls nicht offenbarte, in welchem Ausmaß ich Onkel Mos Schwäche für den Alkohol ausgenutzt hatte, und ich werde nicht so tun, als ob es mir dabei allein um sein Wohl gegangen wäre.
    Als ich zu Ende erzählt hatte, saß Zhobelia einfach nur da, die Hände gefaltet, und schaute nicht im geringsten überrascht drein. »Nun«, sagte sie, »das sieht ihm ähnlich. So war er schon immer. Du bist ein hübsches Mädchen. Er hatte schon immer eine Schwäche für Frauen. Wir wußten das. Haben es ihm nicht krumm genommen; es war halt seine Natur. Ebensogut hätten wir uns darüber beschweren können, daß er schnarchte; er konnte einfach nicht anders. Konnte einfach nicht anders.« Sie nickte. »Er hat sich genommen, was er haben wollte. Ja, so war er. Jetzt würde er mich nicht mehr wollen. Ich bin alt und vertrocknet. Manchmal geben sie uns zum Frühstück Pflaumen, ja. Nein, für dich ist das nichts, kleine Isis.« Sie blickte stirnrunzelnd zur Decke, so als versuche sie, sich an etwas zu erinnern. »Dieser Mohammed. Weißt du, wie ich ihn nenne?« fragte sie; sie beugte sich vor, fixierte mich mit einem strengen Blick und tätschelte mir das Knie. »Weißt du es? Weißt du, wie ich ihn nenne?«
    »Einen Likör-Moslem?« sagte ich zaudernd.
    »Nein!« donnerte sie so laut, daß ich abermals den Finger auf meine Lippen legte. »Ich nenne ihn einen sehr dummen Jungen!« flüsterte sie heiser. »So nenne ich ihn.«
    »Ich glaube, es tut ihm leid«, erklärte ich ihr. »Mohammed wollte dich nicht verärgern. Er möchte das Trinken aufgeben, aber er kann nicht. Noch nicht, zumindest. Vielleicht wird er es eines Tages schaffen.«
    »Ha. Das glaube ich, wenn ich es sehe«, erwiderte sie abfällig. Sie wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf. »Aber dieser Allan.« Sie sah mich durchdringend an. »So ein stilles Kind. Als Säugling hatte er immer Koliken, mußt du wissen. Ja. Aber danach war er sehr still. Hat immer alles beobachtet. Ich war immer überzeugt, er würde lauschen,

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