Die Auserwählte
bieten. Ich sagte: Vielen Dank, ich würde es mir überlegen, und legte auf.
Als der letzte wankende Stützpfeiler meines Vertrauens in meinen Großvater schließlich umstürzte und die Welt, die ich gekannt hatte, sich um mich herum auflöste wie die letzten feinen Flocken einer plötzlichen Schneeschmelze, fragte Topec: »He, können wir jetzt endlich einen trinken gehen?« Ich erwiderte – natürlich -: »Ja.«
Kapitel
Siebenundzwanzig
Ich hatte gehofft, daß ich vielleicht im alkoholisierten Vergessen Erlösung von meinen quälenden Gedanken finden würde, doch dem war nicht so.
Nachdem ich zwei Anrufe getätigt hatte, ging ich mit Topec und seinen Kumpanen aus, doch während wir in einer Bar in der Byres Road hockten und in schneller Folge einige Biere kippten – augenscheinlich die notwendige und übliche Vorbereitung auf ein Tanzfest an einem Ort namens Queen Margaret Union –, stellte ich fest, daß ich im Biertrinken mehr und mehr hinterherhinkte, da ich immer wieder in Gedanken über die Offenbarungen bezüglich der bizarren Natur meiner ererbten, von Generation zu Generation weitergereichten Gabe und die Heimtücke und die Verlogenheit jener, die mir nahestanden, verlor.
Ich hatte mich noch kaum mit dem Verrat durch meinen eigenen Bruder abgefunden, als ich entdecken mußte, daß mein Großvater ein Dieb und Lügner sowie ein potentieller Vergewaltiger war, und diese spezielle räudige Katze war noch nicht ganz aus dem Sack, als – auf fast beiläufige Art und Weise – enthüllt wurde, daß ich nur das letzte Glied in einer langen Kette von Visionärinnen, Wunderheilerinnen und Medien war, die bis weiß-der-Geier-wann zurückreichte!
Unsere gesamte Gemeinde war auf einem Fundament errichtet worden, das unsicherer und wankender war als der Strand von Luskentyre; jeder hatte jeden angelogen! Bei Allans Lügen und Arglist handelte es sich mitnichten um einen einzelnen Ausbruch von Verderbtheit in unserer friedvollen und glücklichen Mitte, nein, nun muteten sie eher wie die nicht weiter bemerkenswerte und sogar vorhersehbare Fortsetzung einer Ader des Bösen und der Verlogenheit an, die von Anfang an mit den Wurzeln unseres Glaubens verflochten und sogar noch älter als unser Glaube selbst war. Gab es denn in meinem Leben kein einziges Fundament, auf das ich mich noch verlassen konnte?
Ich versuchte, mich mit dem Gedanken zu trösten, daß die Gemeinde unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte einen eigenen, inneren Wert besaß. In gewisser Hinsicht spielte alles, was ich herausgefunden hatte – zumindest, soweit es meinen Großvater betraf –, keine Rolle. Der Beweis für den Wert unseres Glaubens fand sich in den Herzen und Seelen von uns allen, die wir glaubten, und in dem Einsatz und der Hingabe, die wir an den Tag legten. Warum sollte nicht Gutes aus Bösem erwachsen können? War es nicht ein Beweis für die unendliche Gnade Gottes, daß er das Gold unseres Glaubens aus dem niederen und giftigen Erz der Gewalttätigkeit und Dieberei meines Großvaters und den Täuschungen und Machenschaften meiner Großmutter und Großtante geschürft hatte?
Man könnte anführen, daß die nachfolgenden Täuschungen meiner Großmutter und Großtante nur das ausgleichende Übel waren, das die Erbsünden meines Großvaters ausgewogen hatte, daß manchmal aus zwei Übeln doch ein Gutes entstehen kann und daß von all den Dingen, die Aasni und Zhobelia hätten tun können – wobei es sicher das Offensichtlichste und Korrekteste gewesen wäre, den Fund des Geldes und von Großvaters Soldbuch den entsprechenden Behörden zu melden –, ihre tatsächlichen Handlungen, wenn sie auch prinzipiell unehrlich waren, das beste und fruchtbarste Ergebnis und eine Ernte der Erleuchtung und des Glücks hervorgebracht hatten, die die der meisten guten und wohlgemeinten Taten weit übertraf.
Doch Abstammung zählt bei den Menschen, und Symbole sind wichtig. Zu entdecken, daß Salvador nichts weiter als ein gemeiner Dieb auf der Flucht nach einer Gewalttat war, und zu erkennen, daß er vermutlich bedenkenlos aus Aasnis und Zhobelias Leben verschwunden wäre, so er seine angespülte Beute gefunden hätte, hätte das Ansehen meines Großvaters und selbstverständlich des Glaubens, den er gegründet hatte, in den Augen der Leute grundlegend verändert.
Man könnte anführen, so verderbt Großvater vor seiner Bekehrung gewesen sein mochte, um so heiliger sei er im Vergleich dazu hinterher geworden; Gott kann sich
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