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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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zu gründen, die Gottes wahre Botschaft auf der Erde verbreiten würde.
    Von Stund an war alles andere unbedeutend: Wer immer unser Gründer vorher gewesen sein mochte, was immer ihn in jener Nacht an jenen Ort geführt hatte, wie immer er durch das Unwetter dorthin gelangt war – aus dem Meer, vom Land oder indem er vom Himmel gefallen war. Von Bedeutung war nur, daß Salvador erwachte und sich an seine Vision und die Aufgabe, mit der er betraut worden war, erinnerte und beschloß, daß sein Leben von nun an nur noch ein einziges Ziel hatte. Es lag viel Arbeit vor ihm.
    Zuallererst war da jedoch noch die Sache mit der Segeltuchtasche…
    *
    Das letzte Stück meiner Flußreise schien nicht enden zu wollen. Ich paddelte im fahler werdenden Licht des späten Nachmittags unter dem Bogen der grauen Autobrücke und dem geraden Mittelstück der Eisenbahnbrücke hindurch, während ich einzig mit Unterstützung des Rückenwindes gegen die hereinströmende Flut ankämpfte; nachdem ich erst einmal die Stromenge zwischen den Queensferries überwunden hatte, konnte ich mich etwas ausruhen, aber jeder Muskel in meinem Oberkörper fühlte sich an, als würde er lodernd brennen.
    Ich stellte fest, daß auf dem Boden meines kleinen Gummifloßes Wasser stand, das während meines Kampfes mit den Wogen hereingeschwappt war, und da ich um den Inhalt meines Seesacks fürchtete, hielt ich eine Weile mit dem Paddeln inne und schöpfte das Wasser mit meinem Taschentuch heraus, dann paddelte ich weiter, zwischen goldenen Sandstränden und friedlichen bewaldeten Ufern zu meiner Rechten und zwei langen, nicht mit dem Land verbundenen Anlegern zu meiner Linken, an denen jeweils ein riesiger Öltanker festgemacht hatte.
    Ein Motorboot verließ einen der Anleger und schwenkte auf mich zu. Wie sich herausstellte, war das Boot voller überrascht dreinschauender Arbeiter in bunten Overalls. Zuerst schienen sie nicht recht glauben zu wollen, daß ich nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte, doch dann lachten sie und schüttelten die Köpfe und erklärten mir, wenn ich bei Verstand wäre, würde ich ans Ufer steuern und meinen Weg zu Fuß fortsetzen. Dann nannten sie mich »Kleine«, was ich als ein wenig beleidigend empfand, obgleich ich denke, daß es durchaus freundlich gemeint war. Ich dankte ihnen für ihren Ratschlag, und sie brausten stromaufwärts davon.
    Schließlich ging ich in Cramond an Land, an der Stelle, wo eine Reihe von hohen Obelisken quer über den Ufersand zu einer flachen Insel führt. Kurz bevor ich den Sand berührte, hievte ich den Seesack unter mir heraus – er war nur ganz wenig naß geworden – und holte die Phiole mit dem Forth-Schlamm heraus, um das Zeichen auf meiner Stirn aufzufrischen, welches von der Kombination aus Gischt und Schweiß abgewaschen worden sein mußte. Mein seltsames Gefährt lief auf dem hellgrauen Sand auf, und ich stieg aus. Ich hatte etwas Mühe mit dem Aufstehen und dann mit dem Aufrichten, aber schließlich gelang es mir, und ich reckte mich genüßlich, wenn auch nicht ohne Schmerzen, alles unter den fragenden Blicken zahlreicher Schwäne, die im Wasser des Almond schwammen, und einiger einschüchternd aussehender Jugendlicher, die auf der Promenade standen.
    »He, Mister, Sie sind wohl hier gestrandet, aye?« rief einer von ihnen herüber.
    »Nein«, gab ich zurück, während ich meinen Seesack aus dem Reifenschlauch hob und den zusammengeklappten Spaten darin verstaute. Ich ließ mein Gummifloß auf dem Sand neben einer kleinen Helling zurück und kletterte hinauf zu den Jugendlichen. »Und ich bin eine Schwester, kein Mister«, erklärte ich ihnen und richtete mich auf.
    Sie trugen schlapprige Kleider und langärmelige T-Shirts mit Kapuzen. Ihr kurzes Haar sah fettig aus. Einer von ihnen schaute auf den Reifenschlauch. »Willst du den Riesenreifen einfach so hier liegenlassen, Kleine?«
    »Ihr könnt ihn gerne haben«, erklärte ich ihnen und ging davon.
    Ich empfand eine gewisse Erregung, nun, da ich den ersten Teil meiner Reise erfolgreich hinter mich gebracht hatte. Mit meinem Seesack über der Schulter spazierte ich die Strandpromenade entlang und knabberte einen weiteren Naan, während mein Schatten vor mir immer länger wurde. Ich zog die Karte zu Rate, überquerte eine Straße und fand die stillgelegte Eisenbahnstrecke – nunmehr ein Radfahrweg – an der Granton Road. Keine hundert Meter weiter entdeckte ich einen dünnen, geraden, abgebrochenen Ast, der neben den Gleisen an

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