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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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gegen die Standuhr. »Ehre!« wiederholte er abermals.
    »Bruder Lucius«, begrüßte ich ihn, während Gertie mir aus meiner Jacke half.
    »Du mußt erschöpft sein!« sagte Gertie, während sie meine Jacke sorgfältig auf einen gepolsterten Bügel hängte. »Ich werde dir etwas zum Abendessen bereiten, und Lucius wird dir ein Bad einlassen. Hast du Hunger? Hast du schon etwas gegessen? Darf ich dir die Füße waschen? Armes Kind; du siehst müde aus. Bist du erschöpft?«
    Ich betrachtete mein Gesicht in dem Spiegel neben den Garderobenhaken, erhellt vom fahlen gelben Licht der Paraffinlampe. Ich fand, daß ich müde aussah. Und ich fühlte mich sehr erschöpft.
    »Es war ein langer Tag«, gestand ich, während Gertie ihren Sohn vor sich zur Treppe scheuchte. »Ich würde mich über eine Tasse Tee und etwas zu Essen freuen, Schwester Gertrude. Und anschließend würde ich auch sehr gern ein Bad nehmen.«
    »Natürlich! Und bitte, nenn mich Gertie! Lucius, du grober Klotz; nach oben; ins gute Schlafzimmer!«
    »Vielen Dank«, sagte ich, während Lucius die Treppe hinaufstampfte und seine Mutter mich in ihr von Kerzen beleuchtetes Wohnzimmer führte. »Zuerst jedoch muß ich dein Telefon benutzen, um der Gemeinde mitzuteilen, daß ich wohlbehalten angekommen bin.«
    »Aber ja! Natürlich! Es steht hier…« Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte an mir vorbei, um die Tür der Abstellkammer unter der Treppe zu öffnen. Sie stellte die Paraffinlampe auf einem kleinen Bord ab und winkte mich zu einem kleinen Holzstuhl vor einem winzigen Tisch, auf dem ein riesiges schwarzes Bakelittelefon mit einer gedrehten, stoffbespannten Schnur stand. »Ich werde dir die Lampe hierlassen«, erklärte sie. Sie wandte sich zum Gehen, zögerte kurz, sah mich verzückt an, dann streckte sie ihre Hände nach der meinen aus und fragte mit bebender Stimme: »Darf ich?«
    Ich gab ihr meine Hand, und sie küßte sie. Ihre schmalen, blassen Lippen waren weich und trocken wie Papier. »Geliebte Isis, Gesegnete Isis!« hauchte sie und mußte heftig blinzeln, um gegen ihre Tränen anzukämpfen, dann eilte sie in die dunkle Diele davon. Ich setzte mich auf den Stuhl und hob den Hörer ab.
    Wir haben natürlich kein Telefon in der Gemeinde, und obgleich es im Haus der Woodbeans eines gibt, das wir benutzen dürfen, führen und empfangen wir keine normalen Gespräche. Es besteht eine Tradition in der Gemeinschaft, daß Telefone nur für Nachrichten allergrößter Dringlichkeit benutzt werden dürfen und auch dann nicht auf eine so banale und simple Art und Weise, daß man einfach den Hörer abhebt und spricht.
    Ich wählte die Nummer der Woodbeans. Über mir hörte ich Lucius im ersten Stock umhertrampeln. Ich ließ das Telefon zweimal klingeln, dann legte ich wieder auf und wählte noch einmal, wobei ich es diesmal neunmal klingeln ließ, dann drückte ich abermals die Gabel herunter, bevor ich zum dritten Mal wählte und es viermal klingeln ließ.
    Das war mein persönlicher Erkennungscode; wir hatten bei unserem letzten Kriegsrat am vergangenen Abend entschieden, daß kein zusätzliches verschlüsseltes Signal nötig sein würde, um die Gemeinschaft wissen zu lassen, daß ich wohlbehalten im Haus von Gertie Possil angekommen war. Das war mir nur recht; auf diese Art – mit unserer eigenen Form des Morsecodes – eine lange Nachricht zu senden, kann mehrere Stunden dauern, besonders wenn man nicht nur die eigenen Klingelzeichen an den Empfänger der Botschaft übermitteln, sondern auch noch Pausen lassen muß, damit der Betreffende mögliche Fragen in Form von Klingelsignalen zurücksenden kann; und während all dem darf man nie vergessen, daß eine gewisse Ungenauigkeit bei diesem Verfahren unausweichlich ist, da die Anzahl der Klingeltöne, die man am übermittelnden Telefon hört, nicht immer genau mit der übereinstimmt, die man am empfangenden Apparat vernehmen kann (wie man mir sagte, ist dies auch der Grund dafür, weshalb ein Anrufer glauben kann, am Anschluß, den er angewählt hatte, wäre abgehoben worden, bevor es geklingelt hat).
    Natürlich verlangen wir von den Woodbeans nicht, daß sie die ganze Nacht hindurch neben dem Telefon sitzen und die Abfolge der Klingelzeichen notieren; entweder wird eine vorbestimmte Zeit vereinbart, zu der ein Mitglied der Gemeinschaft mit Papier und Bleistift in der Diele der Woodbeans sitzt, oder es wird eine spezielle Maschine eingeschaltet, die jedes Läuten des Telefons auf einem Stück Papier

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