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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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seine auffällig blasse Südlondoner Freundin; und Wince, eine kleinere Ausgabe von Boz, jedoch verwirrenderweise mit einem irischen Akzent.
    Zuerst waren sie ein wenig argwöhnisch, was mich betraf, aber nach und nach lockerte sich die Stimmung, zuerst über das Abendessen aus Gemüsecurry, Süßkartoffeln und Hähnchen (wobei ich letzteres natürlich nicht essen konnte und zu meiner Freude sah, daß auch Bruder Zebediah nichts davon nahm) und später dann, während wir im spartanisch, doch praktisch und - im bezug auf neu aussehende elektrische Unterhaltungsgeräte – überraschend gut ausgestatteten Wohnzimmer des besetzten Hauses einen auf Video aufgezeichneten Film anschauten. Anfänglich fühlte ich mich höchst unbehaglich dabei, inmitten all dieser Störgeräusche produzierenden Technologie zu sitzen, doch ich sah es als meine Pflicht, mich gesellig zu zeigen; schließlich schuldete ich diesen Leuten nicht nur die selbstverständliche Höflichkeit eines Gastes gegenüber seinem Gastgeber, sondern war auch Botschafterin meines Glaubens.
    Zum Teil rührte das Gefühl der Entspanntheit zweifelsohne von der Wirkung des Litening Stryke her sowie der »Hasch«-Zigaretten, die geraucht wurden, zum anderen lag es aber sicher auch daran, daß ich in gewisser Hinsicht die Rolle des heiligen Narren spielte und die Umsitzenden mit Geschichten über unser Leben auf High Easter Offerance, unsere Chronik, offenbarte Wahrheiten, Gebote und Rituale unterhielt.
    Alle schienen dies höchst interessant zu finden, und es gab viel Gelächter und Gekicher. Irgendwann während des Abends wischte Dec sich die Tränen aus den Augen und fragte mich: »Mann, Is, auf was für ’nem Trip bist du eigentlich?«
    »Auf einer Mission«, informierte ich ihn, begleitet von neuerlichem Gelächter.
    Ich glaube, Zeb war das alles gelegentlich etwas peinlich, aber ich sah es nicht als Schande für unsren Orden, andere zu solcher Heiterkeit anzuregen, und außerdem erscheint einem etwas, das man zuerst komisch und lachhaft findet, oft bei nüchterner Betrachtung ganz vernünftig und nachgerade weise. Es gibt mehr als einen Weg, um Gottes Botschaft zu verbreiten!
    Während des Abends war es mir gelungen, mit Zeb ein Wort unter vier Augen zu sprechen, während ich ihm nach dem Essen half, das Geschirr abzuräumen. Ich erklärte kurz den Grund und Zweck meiner Mission und teilte ihm mit, daß ich seine volle Unterstützung bei der Suche nach Cousine Morag erwartete, die morgen bei Tagesanbruch beginnen würde.
    »Nun, ich. Hab nie gehört. Daß sie. International gefeiert. Ist«, murmelte Zeb ins Spülbecken.
    »Nun, sie ist es, Bruder Zeb«, gab ich zurück. »Ist es deine Gewohnheit, klassische Musik zu hören oder dich in den entsprechenden Kreisen zu bewegen?«
    »Nein. Aber.«
    »Na also«, sagte ich mit Nachdruck.
    Bruder Zebediah sah aus, als wolle er darüber streiten, aber ich bedachte ihn mit einem strengen Blick, worauf er hilflos grinste und nickend ins Spülwasser schaute.
    Wir sahen uns einen der auf Video aufgezeichneten Filme an – er schien hauptsächlich aus sich gegenseitig jagenden Autos, jeder Menge bunter Explosionen und Amerikanern zu bestehen, die wütend wurden und mit hektischen Bewegungen alles Zerbrechliche von Couchtischen, Kaminsimsen und dergleichen fegten –, als ich merkte, daß mir der Alkohol übermäßig zu Kopf gestiegen war. Ich stand auf, wünschte allseits eine gute Nacht und bat um ein großes Glas Wasser, das ich mit hinauf zu meiner Hängematte nahm. Ich versuchte, im Kerzenschein einige Passagen der Orthographie zu lesen, aber ich muß gestehen, daß mein Sehvermögen, selbst wenn ich eins meiner Augen fest zukniff, der Aufgabe nicht ganz gewachsen war. Ich schloß das Buch unseres Gründers wieder und versprach hoch und heilig, am kommenden Abend die doppelte Menge zu lesen; ich entkleidete mich bis auf meine Unterwäsche und kletterte mit geübter Behendigkeit, die mir selbst mein alkoholisierter Zustand nicht zu rauben vermochte, in meine Hängematte.
    Während ich so dalag, schaukelte und versuchte, den Druck in meiner Blase zu ignorieren, kam es mir in den Sinn, daß wir alle Abkürzungen waren: Ich von Isis zu Is; Zebediah zu Zeb, Declan zu Dec, Winston zu Wince… bei Boz oder Scarpa war ich mir nicht sicher, aber es klang eindeutig abgekürzt, obgleich beides auch Spitznamen sein mochten.
    Ich stand auf, um mich zu erleichtern, wobei ich mir um des Anstands willen meine Jacke überzog. Als ich aus

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