Die Auserwählte
südlicher Richtung bis zum Bahnhof Tottenham Court Road, dann gingen wir zu Fuß die Oxford Street entlang und schließlich die Dean Street hinunter zur Brewer Street.
Die Geschäftsräume unter der Adresse, die wir für Morags Agenten – einen gewissen Mr. Francis Leopold – erhalten hatten, wirkten nicht sehr ermutigend.
»Schweinische Heftchen?« sagte Zeb und wagte einen weiteren fruchtlosen Versuch, seine Finger durch den topologischen Alptraum seines Haarschopfes zu ziehen. Wir standen auf dem Bürgersteig und betrachteten das schwarz übermalte, wenig verkaufsfördernde Schaufenster eines Geschäfts, dessen mysteriöses Angebot anscheinend ausschließlich auf erwachsene Kunden ausgerichtet war, wie sich aus verschiedenen Zutritts-Verbotsschildern für Jugendliche schließen ließ.
»Nun«, sagte ich und schaute nach rechts. »Die Hausnummer könnte zu diesem Geschäft gehören.«
Zeb folgte meinem Blick. »Pornokino.«
»Oder zu diesem hier?«
Zeb reckte seinen Kopf in den Eingang. »Peepshow. Unten. Oben. Models. Mädchen.«
Ich muß ihn verständnislos angeschaut haben.
»Prostituierte«, erklärte er seufzend.
»Ah«, erwiderte ich. »Nun, wo sollen wir uns zuerst erkundigen?«
Zebs schmalem Gesicht gelang es, eine ganze Bandbreite von Zweifeln auszudrücken. »Erkundigen? Echt? Meinst du wirklich?«
»Bruder Zebediah«, sagte ich schockiert. »Es ist dir doch wohl nicht peinlich, oder?« Ich deutete auf die verschiedenen Märkte der Fleischeslust vor uns. »Derartige Örtlichkeiten werden von einer heuchlerischen Gesellschaft stigmatisiert, die noch immer Furcht vor der Macht der Sexualität hat; nichtsdestotrotz zelebrieren derartige Örtlichkeiten auf ihre ganz eigene und zugegebenermaßen etwas anrüchige und geldgierige Art die körperliche Vereinigung der Seelen.«
(Um ehrlich zu sein, noch während ich dies sagte, kamen mir selbst Zweifel daran, aber ich zitierte etwas frei einen gewissen Bruder Jamie, einen Konvertiten aus Inverness, der auf die Stirling University gegangen war, deren Campus nur wenige Meilen von der Gemeinde entfernt lag; aus irgendeinem Grunde hatte all dies aus seinem Munde weit plausibler geklungen. Jetzt, wo ich persönlich mit den Etablissements konfrontiert war, von denen er gesprochen hatte, schienen sie in keiner Weise dem Zelebrieren eines derart heiligen Aktes dienlich. Da ich jedoch nun einmal meine Minipredigt begonnen hatte, hielt ich es für ratsam, sie auch zu Ende zu bringen, ob es sich nun um ein falsches Signal handelte oder nicht.)
»Unserer Lehre zufolge sollte ihnen der Status von Kirchen zugesprochen werden!« rief ich aus.
Bruder Zebediah sah mich einen Moment lang etwas fragend an. Er holte tief Luft, dann nickte er bedächtig. »Kirchen. Klar. Ja. Soll sein. Okay. Cool. Mhm.« Er deutete mit einem Nicken auf den nächstgelegenen Eingang. »Nach dir.«
*
Unsere Erkundigungen in den verschiedenen Etablissements von zweifelhaftem Ruf waren nicht von Erfolg gekrönt. »Was soll das Ganze?«, »Wo kommt ihr her?«, »Nie von ihm gehört«, »Von ihr hab ich auch noch nie gehört«, »Hört zu, ich hab hier ein Geschäft zu führen, klar?« und »Verpißt euch« waren noch die hilfreichsten Antworten, die wir erhielten. Meine Versuche, in dem beengten Foyer eines erotischen Lichtspielhauses zu erklären, daß – der schäbigen Ausstattung und dem primär finanziellen Interesse hinter den pornographischen Erzeugnissen, die uns umgaben, zum Trotz – ein gewisses gemeinsames Anliegen zwischen derart schmutziger kommerzieller Ausbeutung des heiligsten Instinktes der Menschheit und dem reinen, gottgefälligen Ausdruck jenes Triebes, wie man ihn durch unseren Heiligen Orden entdecken konnte, zu erkennen sei, stießen zuerst nur auf allgemeines Unverständnis.
Gleich darauf wurden der Rücken meiner Jacke und mein Hemdkragen von der beringten Hand eines einschüchternd großen Mannes mit kurzgeschorenen Haaren und Anzug gepackt – wobei mein Hut so tief nach vorn über meine Augen geschoben wurde, daß ich kaum noch sehen konnte, wohin meine Füße sich bewegten –, und Zeb und ich wurden unsanft und würdelos an den verschiedenen reißerischen Plakaten vorbei zur Tür eskortiert, von wo aus wir derart grob auf die Straße hinausbefördert wurden, daß ich ins Stolpern kam und um Haaresbreite mit einem Menschen auf einem Motorrad zusammengestoßen wäre. Der betreffende Mensch kam schlitternd zum Halten, schob das Visier seines Helms hoch und
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