Die Auserwählte
informierte mich mit eindeutigen Worten über meine sexuellen Vorlieben, meine geistigen Fähigkeiten und meine körperliche Statur und charakterisierte mich zutreffend anhand meiner Genitalien, dann wechselte er seine Taktik und deutete an, daß mein Hut auf einem – wohl übertrieben großen – männlichen Sexualorgan sitzen würde, um zu guter Letzt zu unterstellen, daß die Verbindung meiner Eltern weder vom Staat noch von einer anerkannten Kirche sanktioniert worden wäre.
Ich tippte mir an den Hut und entschuldigte mich bei ihm; er brauste kopfschüttelnd davon.
Zeb gesellte sich auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig zu mir; sein Kragen war in der anderen Faust des Mannes gewesen, der uns hinausbefördert hatte (und der nun, die massigen Arme vor der Brust verschränkt, im Eingang des Kinos stand). Einige Leute auf der belebten Straße starrten uns an.
»Okay?« fragte Zeb.
»Die Würde ist ein wenig angekratzt«, erwiderte ich und zupfte das Revers meiner Jacke zurecht. »Doch ansonsten bin ich unversehrt. Und du?«
»Okay«, erwiderte Zeb, während er seinen Pullover wieder herunterzog.
»Gut«, sagte ich und richtete meinen Hut. »Zeit für eine Tasse Tee, denke ich; was meinst du?«
»Tee. Ja. Klar. Café. Da.«
*
Das Royal Opera House in Covent Garden erwies sich als ebensowenig hilfreich, wenn auch höflicher und vornehmer in der Art und Weise.
»Nun, offensichtlich sind wir nicht der Ort, an dem man einen Solisten antreffen würde«, sagte der junge Mann, der zur Theaterkasse gerufen worden war, um unsere Fragen zu beantworten. Er war recht freundlich und gut gekleidet, obgleich er gewisse Probleme mit seinem Haar zu haben schien, von dem eine Strähne immer wieder über sein rechtes Auge fiel und beständig zurückgestrichen werden mußte. Es überraschte mich, jemandem als Angestellten eines Opernhauses zu begegnen, der beim Sprechen anscheinend niemals seine Zähne auseinanderbekam oder eindeutig seine Lippen bewegte.
»Ich verstehe«, erwiderte ich. Die Ausstattung hier war das genaue Gegenteil des pornographischen Filmtheaters, das nur ein paar hundert Meter entfernt lag, obgleich die Menge an Vergoldungen und satten, leuchtenden Farben dem beeindruckenden Foyer eine ähnliche, wenn auch opulentere Atmosphäre verlieh. »Aber Sie haben von ihr gehört: Morag Whit, die international gefeierte Baryton-Solistin?«
»Baryton?« sagte der junge Mann, während er sich das blonde Haar aus dem Gesicht strich und auf den Kronleuchter hoch über unseren Köpfen starrte. »Baryton…« Er schürzte die Lippen. »Ist das nicht irgendwo in Irland?«
»Es ist eine Abart der Viola da Gamba«, erklärte ich schroff. »Mit zusätzlichen Resonanzsaiten.«
»Ja«, sagte der junge Mann gedehnt. »Ja.« Er nickte. »Wissen Sie, ich glaube, ich habe tatsächlich mal irgendwas über ein Konzert gelesen…«
»Die betreffende Solistin war höchstwahrscheinlich meine Cousine«, erklärte ich ihm.
»Hmm.« Er verschränkte die Arme und hob nachdenklich eine Hand an den Mund. »Abgesehen davon kann ich Ihnen leider nicht helfen, fürchte ich. Ich habe keine Ahnung, wieso Ihre Cousine auf Papier mit unserem Briefkopf geschrieben hat, aber ich denke mir, daß wir unser Briefpapier auch nicht gerade wie die Kronjuwelen hüten, und mit den Fotokopierern und all diesen Geräten heutzutage, nun…« Er lächelte und neigte den Kopf zur Seite. Abermals fiel ihm die blonde Strähne übers Auge; er strich sie wieder zurück.
»Ich verstehe«, sagte ich. »Nun gut, trotzdem vielen Dank.« Ich kramte in einer meiner Jackentaschen.
»Gern geschehen«, erwiderte er lächelnd. Er wandte sich zum Gehen, wobei ihm abermals die Strähne ins Gesicht fiel.
»Bitte, für Ihre freundliche Hilfe.« Ich reichte ihm eine Haarklemme.
*
»Nun«, sagte ich, »das ist alles höchst sonderbar.« Bruder Zebediah und ich standen auf der Terrasse der Royal Festival Hall im milden, böigen Wind vom Fluß und blickten auf die breite, graubraune Themse. Ausflugsdampfer tuckerten kreuz und quer über das Wasser, Sonnenstrahlen wurden glitzernd von ihren Panoramafenstern reflektiert, während die kleineren Schiffe durch das aufgewühlte Kielwasser der größeren schaukelten.
»Ja.«
Ich drehte mich zu Zeb um, die Arme verschränkt, den Rücken gegen die Brüstung gelehnt. Zebs Gesicht wirkte irgendwie angespannt. »Aber ich habe das Plakat gesehen!« protestierte ich.
»Ja.«
Die Royal Festival Hall behauptete, noch nie von Cousine
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