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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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würde ein durchschnittlicher Mensch beginnen, an seinem Verstand zu zweifeln.
    Luskentyrianern hingegen wird es von Kindesbeinen auf eingetrichtert, daß es die Außenwelt ist, die Welt der Milliarden von Seichten, die offensichtlich, nachweislich, gänzlich und (kurzgesagt) unrettbar verrückt ist, während wir Luskentyrianer das unermeßliche Glück hatten (oder Karma, wenn sie wollen, obwohl diesbezüglich noch immer einige strittige theologische Fragen bestehen), in die einzig Wahre Kirche mit einem profunden Verständnis der Wirklichkeit und einer Erklärung für alles geboren worden zu sein.
    Daher kam es mir auch gar nicht erst in den Sinn, meine geistigen Fähigkeiten in Frage zu stellen (mit Ausnahme meines Gedächtnisses, wie ich ja schon erwähnte), obgleich es mir sehr wohl bewußt war, daß hier irgend etwas ganz eindeutig im argen lag und meine Mission daher zusehends ein Ausmaß an Komplexität und Schwierigkeit annahm, das weder ich noch meine Glaubensbrüder und -Schwestern in der Gemeinde vorausgesehen hatten.
    Es war offensichtlich an der Zeit für entschlossenes Handeln.
    Ich mußte jetzt dringend mit Gott reden.

 
Kapitel
Neun
     
     
    Ich glaube, mein Großvater betrachtet es noch immer als eine der größten Leistungen seiner geistlichen Führerschaft, Mr. McIlone von einem Glauben überzeugt zu haben, dessen Grundsätze und Gebote unser Gründer zu jener Zeit noch formulierte. Wenn ich sage, daß ich darüber hinaus vermute, daß mein Großvater ob dieses Erfolgs große Freude und Befriedigung empfand und daher suchte, ihn zu wiederholen, so sehe ich dies als ein Kompliment meinerseits an unseren Gründer, besonders in Anbetracht der Gottgefälligkeit und Heiligkeit dieser Tat.
    Mr. McIlone war ein freundlicher, großzügiger Mann, aber ein Freidenker; ein altgedienter Atheist, der – so grundlegend fehlgeleitet und verbohrt er auch immer sein mochte – sowohl die Willens- als auch die Charakterstärke besaß, an seinem Irrglauben selbst im Angesicht der Schmähungen und der ausgrenzenden Verachtung einer konservativen und selbstgerechten Dorfgemeinschaft jener Art festzuhalten, die gemeinhin von jenen, die allzu große Mühen bei der Suche nach Sinnbildern für gesellschaftlichen Zusammenhalt scheuen, als »eingeschworen« bezeichnet wird.
    Obschon unsere Überzeugungen uns zwingen, die sauertöpfischen Presbyterianer der Äußeren Hebriden mit ihrer abstoßend humorlosen, angsteinflößenden und rachsüchtig klingenden Gottesvorstellung als unsere Verbündeten zu sehen (ob es ihnen nun gefällt oder nicht) und im Gegensatz dazu die menschlichen und mitfühlenden Mr. McIlones dieser Welt bestenfalls als unsere missionarische Beute und schlimmstenfalls als ausgesprochene Gegner zu betrachten, und es zweifelsohne wirkungsvoller ist, zu den schon halb Bekehrten zu predigen, als zu versuchen, die Saat des Glaubens in Seelen einzupflanzen, die durch einen profunden Irrglauben verhärtet sind, lassen sich nichtsdestotrotz oftmals in spiritueller Hinsicht mehr Gemeinsamkeiten mit jenen finden, die von Natur aus großzügig, mildtätig, weise und aufgeklärt sind (jedoch durch Zufall außerhalb des Blickfelds und der Hörweite Gottes aufgewachsen sind), als mit jenen, die – wenngleich Teil einer Gemeinde oder Glaubensgemeinschaft, deren Überzeugungen in strategischer Hinsicht weit mehr mit den unseren übereinstimmen – gerade ob der Strenge und Unnachgiebigkeit jener Überzeugungen, als Individuen weit weniger zu unbeschwerter Überschwenglichkeit in ihrer Gottesverehrung und der Huldigung der Schönheiten des Universums, der Welt und des Menschen, sowohl in spiritueller als auch in physischer Gestalt, imstande sind.
    Für mich persönlich klingt das alles so, als ob Mr. McIlone eine jener empfindsamen Seelen war, die zu Verzweiflung neigen. Er ähnelte meinem Großvater darin, in den Handlungen seiner Mitmenschen nur selten etwas anderes als böswillige Dummheit zu sehen, doch im Gegensatz zu Salvador wählte er als Antwort darauf den leichten, müheloseren Weg, einfach alle und jeden zu verdammen und der Welt den Rücken zu kehren.
    Nach dem zu urteilen, was ich gelesen habe – und ich glaube, ich kann mit Fug und Recht behaupten, daß ich für mein Alter eine recht beachtliche Menge gelesen habe –, denke ich, daß die Welt in der Tat den Anschein erweckt haben muß, sie hätte es verdient, daß man ihr den Rücken kehrt; der zerstörerischste Krieg der Menschheitsgeschichte war

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