Die Auserwählte
endlich vorbei, aber nur um den Preis, mit jenen beiden höllengleichen nuklearen Morgendämmerungen über Japan ein Zeitalter einzuläuten, mit dem allem Augenschein nach die Epoche der Apokalypse angebrochen war. Die gewaltige, alles erschütternde Macht, binnen eines Augenblicks ganze Städte auslöschen zu können, die die Menschheit von jeher einzig ihren Göttern zugesprochen hatte, lag nun in der Hand des Menschen, und kein Gott war je so furchteinflößend und unberechenbar wie der neue Besitzer jener Macht.
Nach jenem vorangegangenen Krieg, der alle Kriege beenden sollte, hatte die Menschheit sich im Fortschritt gewähnt, nur um dann, als sich der Staub und der Ruß gelegt hatten, festzustellen, daß eine der zivilisiertesten und hochentwickeltsten Nationen dieser Erde kein besseres Betätigungsfeld für ihren Erfindungsgeist gefunden hatte, als den Versuch der effizienten Vernichtung eines uralten Volkes, das wahrscheinlich mehr zum Wissensschatz der Welt beigetragen hat als sonst irgendeine einzelne Gruppe (und vielleicht auch wußte, daß das stumme Einverständnis anderer Nationen den Boden für diese endgültige Perversion bereitet hatte).
Und welche Zukunft winkte noch, nach jenem Ausbruch der Zerstörung und nach dem Tod jeglicher Überzeugung, daß die Menschheit in irgendeiner Hinsicht rational sei, daß die Menschheit in der Tat verläßlich menschlich sei?
Es schien nur die Fortsetzung des Krieges zu bleiben, auf eine andere, kältere Art, mit Waffen, die für das Ende der Welt geschaffen waren; aus Alliierten wurden Feinde, und die wahren Sieger des europäischen Krieges fielen mit doppelter Grausamkeit übereinander und über neue Eroberungen her, so als ob ihre zwanzig Millionen Toten der Vernichtungsmaschinerie erst richtig Appetit gemacht hätten. (In der Zwischenzeit schrieb Mr. Orwell auf einer anderen Hebriden-Insel ein Werk, das er beinahe 1948 genannt hätte.)
Das war damals Mr. McIlones Welt, ebenso wie das farblose, ausgelaugte Großbritannien der noch immer rationierten ausgehenden vierziger Jahre, und obgleich die verhältnismäßig eigenständige Land- und Fischerei-Wirtschaft der Äußeren Hebriden der allgemeinen Knappheit etwas von der Härte nahm, die die größeren und großen Städte des Festlandes so gänzlich ungemildert traf, war es nichtsdestotrotz ein unerbittlicher, kalter, windgepeitschter Flecken Erde, wo ein Mann vom Land oder der See lebte und nur sein Gott, seine Familie, seine Freunde und gelegentlich der Alkohol ihm Beistand gaben und ein wenig Trost spendeten.
Vielleicht war es daher nicht überraschend, daß Mr. McIlone, nachdem er mit der messianischen, inbrünstigen Überzeugung meines Großvaters und der unkonventionellen, doch unleugbaren Liebe, die dieser mit seinen beiden exotisch fremdländischen Schönheiten teilte, in Kontakt gekommen war, das Gefühl bekam, daß ihm etwas fehlte, daß es eine andere Erwiderung auf die Absurditäten und die Bösartigkeit der Welt gab als nur den vollständigen, einsiedlergleichen Rückzug.
Welche emotionalen, persönlichen oder philosophischen Faktoren letztendlich auch für jenen heiligen Sinneswandel in Mr. McIlone verantwortlich gewesen sein mögen, Ende des Jahres 1949 war er abgeschlossen, und unser Gründer hatte seinen ersten echten Konvertiten (ich denke nicht, daß er jemals überzeugt war, daß seine Frauen von ganzem Herzen den neuen Glauben angenommen hatten, auch wenn sie allen Anschein erweckten, die Gebote zu befolgen).
Außerdem hatte er die Oberaufsicht über den Luskentyre-Hof, die Gelegenheit, in seiner Bibliothek seine Studien fortzusetzen, das Nutzungsrecht der Gebäude, Zugriff auf den vollen Erlös und alle Ernteerträge, die auf ihm erwirtschaftet wurden, und schließlich auch ein entscheidendes Mitspracherecht in der Führung des Hofs. Und so kam es, daß unsere Sekte, die Wahre Kirche von Luskentyre, hier ihr erstes Heim fand, von 1949 bis 1954, als Mrs. Woodbean uns das Anwesen von High Easter Offerance, auf den uralten, grünen Marschen des Forth, weit, weit südöstlich von jenen zerklüfteten Inseln, als Schenkung überschrieb.
*
»Nun, es riecht wie die Salbe, mit der meine Mutter uns immer eingeschmiert hat, sobald wir zweimal hintereinander gehustet haben«, sagte Dec und ließ sich auf ein riesiges Kissen auf dem Boden neben mir plumpsen.
Ich hatte einige Stunden zuvor ein wenig des kostbaren Zhlonjiz-Balsams genommen, in meiner Dachbodenkammer, kurz nachdem Zeb und ich von
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