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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ohne einen Gedanken an die Gefühle der schwangeren Schwestern zu verschwenden, die sich nach einem berauschenden Aufenthalt inmitten des Luxus von parfümgetränkten, goldgewirkten Kissen und Seidenteppichen mit märchenhaften Mustern nun unvermittelt abermals in der tristen Welt der quietschenden Eisenbetten und des sich wellenden Linoleums wiederfanden.
    Ich glaube, dies war der Moment, in dem Salvador, der sich die diesbezüglichen Beschwerden und Nörgeleien der Schwestern anhören mußte, endgültig der Extravaganz und dem Luxus abschwor und das schlichte Leben zu einem Glaubensgebot erhob.
    Die Possils schrieben fast täglich Briefe nach Luskentyre, berichteten von ihrer Missionsarbeit unter der heidnischen Einwohnerschaft von Edinburgh und ihren Bemühungen, die fromme Botschaft unter jenen, die ihre Angeln nach Hechten und Karpfen in friedlichen Seen auswarfen, und jenen, die nach den Worten, Warnungen und Ratschlägen teurer Verblichener dürsteten, zu verbreiten.
    In der Zwischenzeit eilte Aasnis und Zhobelias Schwangerschaft mit Riesenschritten voran, und irgendwann entwickelten die beiden gemeinschaftlich einen Heißhunger auf die aromatisch riechenden Marinaden und Gewürze, an die sie sich aus ihrer Kindheit erinnerten. Da es ihnen verboten war, Kontakt mit ihren Eltern aufzunehmen (etwas, das sie ohnehin nicht gewollt hätten), und da sie um keine andere Quelle scharfer Speisen in der Nähe wußten, begannen sie, ihre eigenen herzustellen, und bestellten per Post von einem indischen Krämer in Edinburgh, dessen Adresse Gertie ihnen besorgt hatte, Vorräte der ausgefalleneren Rohzutaten – Chilischoten, Koriander, Kardamom, etc.
    Ihre Experimente mit Chili- und Knoblauchsoßen, Limonen- und Brinjalmarinaden, Apfel- und Ingwerchutney und so weiter waren nicht immer von Erfolg gekrönt, aber Aasni und Zhobelia ließen sich nicht beirren, und Salvador – der, wie auch Mr. McIlone, zunehmend Geschmack an den feurigen Erfindungen der beiden Schwestern fand, was an der durchaus ähnlichen Gaumenwirkung gelegen haben mag, die sowohl billiger Whiskey als auch jede chiligewürzte Speise erzeugen – ermutigte diese aromatischen Vorstöße in das Reich feinschmeckerischer Genüsse nach Kräften.
    Aasnis und Zhobelias ursprünglicher Heißhunger stellte sich als Initialzündung für eine Beschäftigung heraus, die Jahrzehnte überdauerte, und nach langem anfänglichen Zögern, das noch anhielt, als Aasni schon längst von Brigit und Zhobelia von Calli entbunden worden war und die beiden Schwestern wieder bequem hinter den Tresen ihres umgebauten Bibliotheksbusses paßten, erwiesen sich ihre selbstgemachten Chutneys und scharf eingelegten Gemüse allmählich als die Verkaufsschlager des fahrbaren Krämerladens und bewirkten, daß die aufgeschlosseneren Bewohner von Lewis und Harris Geschmack an feurigen subkontinentalen Gewürzen fanden – eine Neigung, die sie sich bis heute bewahrt haben.
    *
    Der Zug, der Zeb, Boz und mich zurück nach London brachte, erlitt kurz vor Brentwood einen Lokomotivschaden und kroch mit gerade mal Schrittgeschwindigkeit in den Bahnhof. Wir stiegen aus und wurden Zeuge einiger Verwirrung unter den Bahnangestellten bezüglich eines Ersatzdienstes, aber der allgemeine Konsens schien zu sein, daß wir wohl mit etwa einer Stunde Wartezeit zu rechnen hätten.
    »Mist. Scheiße. Mann. Züge. Scheiße.«
    »Wie ärgerlich.«
    »He, warum besorgen wir uns nicht was zu essen?« schlug Boz vor.
    Wir machten uns auf, um eine entsprechende Lokalität zu suchen. Auf der Straße vor dem Bahnhof begegneten wir vier Männern mit sehr kurzen Haaren, die schwere Stiefel, kurze Jeans und glänzende grüne Jacken im Blousonstil trugen; anscheinend verkauften sie Zeitungen. Ich glaube nicht, daß sie mir besonders aufgefallen wären, hätten sie nicht angefangen, »uuh-uuh-uuh-uuh-uuh«-Laute zu machen, als wir vorbeigingen. Einer von ihnen spuckte auf den Bürgersteig, direkt vor die Füße von Boz, der nur leicht den Kopf hob und unbeirrt weiterging.
    »Wer sind die?« fragte ich Zeb, der neben mir ging. »Kennen die Boz?«
    »Nö. Faschisten«, antwortete Zeb. »British National Party. Schlägertruppe.«
    Ich schaute über die Schulter zu den Männern, die uns immer noch hinterherstarrten. Einer von ihnen warf etwas Gelbes; ich streckte die Hand hoch und fing eine halb gegessene Banane, die auf Boz gezielt gewesen sein mochte, der ein paar Schritte vor uns ging. Ich blieb stehen.
    »Scheiße.

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