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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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selbst geglaubt hätte. »Das kenne ich gut. Ich – oh, herrje, mein Geld ist alle.« Ich hängte den Hörer wieder auf die Gabel.
    Zeb schaute argwöhnisch drein und starrte finster das Telefon in der Zelle an. »Ich dachte, wir dürften nicht – « setzte er an.
    »Somerset«, verkündete ich ihm und Boz, als im selben Moment das Taxi, mit dem wir hergekommen waren, auf der anderen Seite des Marktplatzes auftauchte.
    *
    So seltsam es auch anmuten mag, war es vermutlich das Niederbrennen der alten Seetang-Fabrik, welches bewirkte, daß unser Glaube mehr wurde als die bloße Eigentümelei einer Handvoll von Leuten. Mein Großvater wollte den ganzen Zwischenfall einfach nur vergessen, aber die Anwälte, die das strittige Grundstück verwalteten, zu dem die alte Fabrik gehört hatte, waren nicht so verständnisvoll. Etliche der Männer, die für den Brand verantwortlich waren, wurden festgenommen und angeklagt, und als der Fall in Stornoway vor Gericht verhandelt wurde, blieb Salvador, Aasni und Zhobelia keine andere Wahl, und sie mußten als Zeugen auftreten.
    Mein Großvater hatte sich mittlerweile die Angewohnheit zugelegt, sich gänzlich in Schwarz zu kleiden, und wann immer er die Farm verließ, trug er einen schwarzen, breitkrempigen Hut. In dieser Aufmachung und mit einer vollen Mähne langen (und nunmehr völlig weißen) Haars und einem buschigen Bart, begleitet von den beiden Schwestern in ihren besten, farbenfrohesten Saris, müssen sie wahrlich einen spektakulären Anblick abgegeben haben, als sie vor Gericht erschienen. Es gab einiges Medieninteresse; unserem Gründer war derartiges Aufhebens zuwider, aber es lag nicht in seinen Händen, etwas dagegen zu unternehmen, und natürlich stachelte die Tatsache, daß er sich weigerte, mit Reportern der Stornoway Gazette oder einem Journalisten des Daily Dispatch aus Glasgow zu sprechen, ihr Interesse nur um so mehr an (und aufgrund der Gerüchte über unseren Gründer und seine beiden dunkelhäutigen Gefährtinnen waren sie ohnehin schon sehr neugierig).
    Meinem Großvater gelang es zumeist, den Schreiberlingen aus dem Weg zu gehen, und er entdeckte, daß ein breitkrempiger Hut ein wirkungsvoller Schutz gegen unerwünschte Fotografen war - besonders, da es sich bei den Kameras in jener Zeit um klobige, unhandliche Geräte handelte, die nur schwer zu bedienen waren, wenn man versuchte, einen Schnappschuß von jemandem zu machen, der entschlossenen Schritts eine enge Straße entlangmarschierte, noch dazu im üblichen Regen. Nichtsdestotrotz, auch wenn es ihm gelang, nicht offiziell erklären zu müssen, mit den beiden Schwestern verheiratet zu sein, und er erfolgreich allen Andeutungen und Unterstellungen bezüglich der genauen Natur seiner Beziehung zu den beiden Frauen ausweichen konnte, zeigte er sich doch weit weniger zögerlich, wenn es darum ging, über seinen neugefundenen Glauben zu sprechen, und einige der Dinge, die er sagte – hilfreich ausgeschmückt durch den geheimnisvollen Prozeß der Metamorphose, der gemeinhin zwischen der Wirklichkeit und dem gedruckten Wort in einer Zeitung auftritt –, müssen bei einem Paar namens Cecil und Gertrude Possil in Edinburgh auf ein offenes Ohr gestoßen sein, obgleich dies meinem Großvater damals natürlich noch nicht bewußt war.
    Aasni und Zhobelia wurden in den Zeugenstand gerufen, waren jedoch außerstande (oder nicht willens, um ehrlich zu sein), Licht in die Angelegenheit zu bringen; ihr Englisch und Gälisch – die sie beide hinlänglich beherrschten – schienen mit einem Schlage zu fast völliger Unverständlichkeit zu verkümmern, sobald sie den Fuß über die Schwelle des Gerichtssaals setzten. Als nach einem Dolmetscher verlangt wurde, stellte sich heraus, daß die einzigen Menschen, die diese Aufgabe hätten übernehmen können, andere Mitglieder der Asis-Familie waren – eine Tatsache, die die Verteidigung möglicherweise veranlaßt hätte, den betreffenden Dolmetscher abzulehnen, was aber im Endeffekt auch keine Rolle spielte, da sich die Familie schlichtweg weigerte, auch nur ein Wort mit den beiden schamlosen, eheversprechenbrechenden Flittchen zu wechseln, die einst ihre Töchter gewesen waren, und keine Androhung einer Bestrafung wegen Mißachtung des Gerichts sie umzustimmen vermochte.
    Angesichts solch unversöhnlicher Streitigkeiten in einem Fall, bei dem es, im Grunde genommen, um nichts weiter als die Zerstörung einer Fabrik ging, die sowieso niemanden von Bedeutung interessierte,

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