Die Auserwählte
anbot und die Schwestern sie höflich distanziert empfingen. Cecil und Gertie waren in einem großen Vorkriegsauto (einer Art Kombi, von dem mir Schwester Jess einmal erzählte, eine Lady namens Everidge hätte dafür einst die treffende Bezeichnung Fachwerkauto geprägt) nach Harris gekommen, welches vollgepackt war mit mesopotamischen Zierkissen, afghanischen Teppichen, ceylonesischen Räucherstäbchenhaltern aus Onyx und allen anderen Notwendigkeiten, die man für das längerfristige Überleben auf einem Bauernhof brauchte.
Außerdem brachten sie wohl gut zwanzig verschiedene Sorten Tee mit, die sie in luftdichten javanischen Bestattungsurnen aufbewahrten. Das machte sie meinem Großvater auf Anhieb sympathischer und gab vermutlich den Ausschlag, daß sie schon bei ihrem ersten Besuch voller Vertrauen aufgenommen und nicht mit solchem Argwohn behandelt wurden, daß sie sich vergrault fühlten. Indem sie den Luskentyre-Hof unbekümmert mit Batiken, Lackschirmen und silbernen Leuchtern ausstaffierten, gelang es den Possils, dem Anwesen eine Atmosphäre des Luxus zu verleihen, die anfangs allen Beteiligten, auch meinem Großvater, sehr gefiel. Bislang hatte sich die Ausstattung des Hauses auf quietschende Eisenbetten, qualmende Paraffinlampen und hier und dort ein ausgetretenes Reststück Linoleum auf dem ansonsten nackten Holzfußboden beschränkt. Als die Possils mit dem Ausschmücken fertig waren, gab es all das immer noch, aber es wirkte nun irgendwie behaglicher.
Der erste Besuch der Possils dauerte zwei Monate und versorgte den Hof mit den importierten Attributen von Opulenz, Großvater mit allen Aromatees und Schreibutensilien, die sein Herz begehrte, und die Einheimischen sowohl mit ausreichendem neuem Tratsch als auch einem abschreckenden Beispiel, um Kindern und charakterschwachen Erwachsenen die Gefahren hedonistischer Unmoral und heidnischer Dekadenz vor Augen zu führen.
Doch ich glaube, die Possils gaben unserem Gründer noch etwas anderes: einen unabhängigen Blickwinkel, eine Eichstelle, eine Gelegenheit, seine Offenbarungen, Gedanken, Erkenntnisse und zukünftigen Lehren an der Erfahrung von Menschen zu messen, die, was eigentümliche neue Sekten anging, wohl schon so ziemlich alles gesehen hatten und die zweifelsohne eine salonfähige Kultgemeinschaft erkennen würden, so sie auf eine trafen.
Cecil und Gertie wurden zu Konvertiten. Etwas an Salvadors neuer Religion schien sie anzusprechen; sie war, wenn man so will, sowohl an der Vergangenheit als auch an der Zukunft ausgerichtet, und die Possils fanden in beiden Richtungen Elemente, die ihnen zusagten. Sie hatten sich einige Jahre zuvor dagegen entschieden, ihr Haus in Edinburghs Morningside ans Stromnetz anschließen zu lassen, und waren bereits recht eigenbrötlerisch und merkwürdig, was ihre Lebensweise betraf. Das ständige Hin- und Herhetzen zwischen den Gottesdiensten und Versammlungen so vieler Splitterreligionen hatte ihnen so gut wie keine Zeit gelassen, anschließend privateren Umgang mit den ernsthaft Gläubigen zu pflegen, und beide hatten nur wenige Bekannte außerhalb ihrer jeweiligen Hobbys, dem Sportangeln bzw. den Seance-Besuchen, und erst recht keine engen Freunde. Ich glaube, selbst Salvadors freimütig skandalöse Beziehung mit den beiden Schwestern muß ihnen wie ein frischer Windhauch vorgekommen sein nach der kleinkarierten und hysterisch verkrampften Einstellung zur Sexualität, die die anderen Sekten und Glaubensgemeinschaften, die sie hofiert hatten, propagierten, und sowohl daran gemessen, als auch an dem Wunsch, ein karges und friedvolles Leben außerhalb der konventionellen Gesellschaft zu führen, welches sich durch Achtung vor der Weisheit der Vergangenheit, der Natur und allen mystischen Glaubensrichtungen auszeichnete, könnte man sagen, daß mein Großvater einer der ersten Hippies war.
Cecil und Gertie verließen den Hof am Ende jenes ersten Sommers, während Aasnis und Zhobelias Bäuche wuchsen, und kurz nachdem Gertie zu ihrer nicht ungetrübten Freude entdeckt hatte, daß auch sie nunmehr schwanger war (das Ergebnis war dann Lucius). Sie schworen, daß sie zurückkommen und daß sie die frohe Botschaft von der Geburt des neuen Glaubens verbreiten würden, sowohl durch Mundpropaganda als auch durch die Finanzierung der Veröffentlichung der Orthographie, sobald Salvador sie fertiggestellt hätte. Sie nahmen all ihren exotischen Schnickschnack wieder mit, packten ihn einfach in den Kofferraum des Kombis,
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