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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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zähes Luder«, pflichtete ich bei und klopfte Zeb auf die Schulter, wie um die Aufmunterung weiterzureichen.

 
Kapitel
Zwölf
     
     
    Ich glaube, es war mein Freund Mr. Warriston aus Dunblane, der einmal bemerkte, über Narren zu lachen sei der sicherste Beweis für Genialität und die Schmähung politischer oder religiöser Führer das eindeutigste Anzeichen dafür, daß der Urheber der Giftspritzerei auf etwas gestoßen ist, was der Wahrheit bedrohlich nahe kam.
    Dem möchte ich nur noch hinzufügen, daß, da die meisten von uns nur zu bereit sind, einen Narren als einen Menschen zu definieren, der nicht unserer Meinung ist, zwangsläufig ein gewisses Maß an Selbstzweck in die Gleichung eingeführt wird, das – wenn auch mit dem Anstrich einer gewissen oberflächlichen Eleganz – der Beobachtung einiges von ihrer Anwendbarkeit nimmt.
    Wie dem auch sei, ich war immer der Ansicht, daß es dem Durchschnittsmenschen keinerlei Schwierigkeiten bereitet, die eigenen Wünsche, Vorurteile und Bigotterien gegen die Gesamtheit der profundesten Philosophien der Welt und gegen jede moralische Lektion, die aus diesen Systemen je erwachsen ist, abzuwägen und am Ende seine persönliche Selbstsucht als einzig validen Antrieb für seine Handlungen anzuerkennen.
    Als Luskentyrianerin bin ich natürlich beileibe kein Durchschnittsmensch, und als Schaltjährige der dritten Generation befinde ich mich nicht nur in einer herausragenden, sondern noch dazu in einer besonders privilegierten Position, mit all den Verpflichtungen und der Bürde der Verantwortung, die dies mit sich bringt. Vielleicht steht es mir daher nicht zu, ein allzu hartes Urteil über meine Mitmenschen zu fällen, wenn das, was uns gemeinsam ist, weit weniger wiegt als das, was uns trennt und unterscheidet – was mich nicht besser machte als die vier Männer, die ich tags zuvor keuchend und röchelnd und fluchend auf ihren Knien vor dem Bahnhof zurückgelassen hatte. Nichtsdestotrotz, ob es nun gut für meine Seele war oder nicht, ich weidete mich am darauffolgenden Morgen noch immer an dieser Szene, während ich in Gunnersbury an einer Autobahnauffahrt stand und mir das Gejohle aus vorbeifahrenden Autos und Lastern anhörte – vielleicht hervorgerufen durch mein Geschlecht, vielleicht durch meinen Hut –, sowie die unausweichlichen Beschimpfungen jener Fahrer, deren angebotene Mitfahrgelegenheit ich ablehnte, weil mir ihre Automobile irgendwie zu seicht und konventionell erschienen.
    Dies war Teil meiner Strategie, den glaubenkorrumpierenden Einfluß der Großstadt von mir abzuschütteln. Ich hatte mich zu sehr an das elektrische Licht des besetzten Hauses gewöhnt (dessen Vorhandensein mich zuerst verwirrt hatte, sobald ich mir die Zeit genommen hatte, darüber nachzudenken, doch was sich dann schlicht damit erklärte, daß es dem Elektrizitätswerk egal war, ob das Gebäude rechtmäßig bewohnt wurde, solange nur jemand die Rechnungen bezahlte). Ich hatte überlegt, am Vorabend noch einmal einige Züge von den herumgereichten Cannabis-Zigaretten zu nehmen, während Boz – mit einsilbiger Unterstützung von Zeb – den anderen meine Abenteuer des Tages schilderte und ich unwillkürlich vor Stolz strahlte, auch wenn ich mich nach außen hin bescheiden gab. Am Ende hatte ich jedoch davon Abstand genommen.
    Ich hatte Zeb beiseitegenommen und ihm erklärt, daß ich es für das beste hielte, wenn ich in der Hoffnung, daß meine Mission vielleicht von Erfolg gekrönt sei, meine Suche nach Morag fortsetzte, bevor ich – oder jemand anders – der Gemeinde die schlechte Nachricht bezüglich des Doppellebens unserer Cousine übermittelte. Zeb hatte keine Einwände. Dann hatte ich, noch immer zu einer gesitteten Zeit, allen eine gute Nacht gewünscht und mich verabschiedet und war hinauf zu meiner Hängematte geklettert, befriedigt darüber, der Versuchung nicht nachgegeben zu haben. Am nächsten Morgen hatte ich mich jedoch, während ich im Morgengrauen zu Fuß von Kilburn hierher marschiert war, dabei ertappt, wie ich überlegte, einfach den Bus oder die U-Bahn zu nehmen. Abermals widerstand ich der Versuchung, doch all diese Anwandlungen und plötzlichen Wünsche waren Anzeichen dafür, daß ich zunehmend von dem Gedankengut und den Gewohnheiten der Unerretteten angesteckt wurde.
    Allen Luskentyrianern ist ein vielleicht perverses Vergnügen daran, nicht den offensichtlichen Weg zu gehen, angeboren, das wir im Verlauf unseres Lebens emsig weiterentwickeln; je

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