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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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entschied sich der vergrätzte Sheriff dafür, die Sache lieber auf sich beruhen zu lassen; Aasni und Zhobelia wurden als Zeugen entlassen.
    Salvador, der den Rest der Asis-Familie nie kennengelernt hatte, nahm deren Ablehnung ihrer Töchter persönlicher als die beiden Frauen selbst und schwor, niemals den Laden, den sie in Stornoway eröffnet hatten, oder, später, die Filiale in Tarbert zu betreten. Irgendwie wurde aus diesem Bann ein Glaubensgebot, das sich – als die Firma der Asis-Familie expandierte und Läden in Portree, Oban und Inverness eröffnet wurden – auf alle Einzelhandelsgeschäfte erstreckte, vermutlich nur, um ganz sicherzugehen.
    Der Prozeß ging zu Ende; die eingeschüchterten, tuschelnden, in ihre Sonntagsanzüge gekleideten Männer, die der heimtückischen Brandstiftung unter Alkoholeinfluß angeklagt waren, wurden weder für schuldig noch für unschuldig befunden, sondern bekamen erklärt, daß die Anklagepunkte gegen sie als »nicht bewiesen« galten, eine der schottischen Gerichtsbarkeit eigene Version des in der allgemeinen britischen Rechtsprechung nicht zu findenden »aus Mangel an Beweisen«-Prinzips, das juristisch gesehen einem Freispruch gleichkommt, oft aber bedeutet: Wir glauben, daß Sie es getan haben, aber wir sind nicht sicher, und darüber hinaus noch den zweifachen Vorteil besitzt, in die gewöhnlich schwarzweiße Welt des Gesetzes, die ansonsten nur schuldig/unschuldig, gut/schlecht und anständige Bürger/Verbrecher kennt, das Konzept des relativen Zweifels einzuführen, sowie eine bleibende Wolke öffentlichen Argwohns über dem Kopf des Angeklagten schweben zu lassen, damit er in der Zukunft nicht zu übermütig wird.
    Großvater und die Schwestern kehrten auf den Hof Luskentyre zurück – Salvador, um sich mit Mr. McIlone um das Vieh zu kümmern und weiter zu lesen, zu studieren und an der Orthographie zu schreiben; und die Schwestern, um weiterhin in ihrem umgebauten Bibliotheksbus kreuz und quer über die Inseln zu fahren, schlechte Geschäfte zu machen und kaum ihren Lebensunterhalt zusammenzubringen. Als der erste Sommer kam, den mein Großvater auf den Inseln verbrachte, der Sommer 1949, stellten die beiden Schwestern fest, daß sie nunmehr noch etwas anderes teilten, da ihre Bäuche verräterisch anschwollen. Salvador – wenn auch natürlich voll des männlich-virilen Stolzes – fragte sich schon, wie sie wohl zwei weitere Mäuler stopfen sollten, als unvermittelt die Possils auftauchten.
    Cecil (offenkundig Siesill ausgesprochen) und Gertie Possil waren ein begütertes, exzentrisches Ehepaar, das sein ansonsten recht sinnleeres Leben damit zubrachte, sich den verschiedensten Sekten, Kultgemeinschaften und Kirchen anzuschließen, als wäre es die erklärte Absicht der beiden, eine vollständige Sammlung zusammenzutragen. Cecil war ein hochgewachsener, linkischer Mann, der nicht am Krieg hatte teilnehmen können, da er nur ein Auge besaß, nachdem er sein anderes im Kindesalter verloren hatte, als sein Vater – ein begeisterter Sportfischer – ihm das Auswerfen der Angel zeigte; man hätte meinen sollen, daß dieses traumatische Erlebnis dem kleinen Cecil für den Rest seines Lebens die Lust am Fischen – und möglicherweise sogar am Fisch – rauben würde, doch tatsächlich war das genaue Gegenteil der Fall gewesen. Wenn Cecil sich auf einer seiner häufigen Angeltouren im schottischen Hochland oder an den Bächen und Strömen Südenglands befand, verbrachte Gertie ihre Zeit damit, zu Seancen zu gehen und mit Mystikern zu reden.
    Sie hatten in ihrer Tageszeitung etwas über Großvater und seinen sonderbaren neuen Glauben gelesen – darunter auch über seine Betonung der Bedeutung des 29. Februars; der betreffende Artikel war am 1. März jenes Jahres erschienen, und sie hatten erkannt, daß jener Tag der 29. Februar gewesen wäre, hätte es sich bei 1949 um ein Schaltjahr gehandelt. Überzeugt von der profunden Bedeutung dieses Zusammentreffens der Ereignisse hatten sie beschlossen, später in jenem Jahr eine Pilgerfahrt nach Luskentyre zu unternehmen. (Obgleich gesagt werden muß, daß Cecil einmal eingestanden hat, daß ihn persönlich, für den Fall, daß er und seine Frau in Großvaters Urkirche unwillkommen oder von dieser desillusioniert gewesen wären, auch die Angelmöglichkeiten gelockt hätten, die die Hebriden boten.)
    Salvador begegnete den Possils bei ihrem Eintreffen mit Mißtrauen, während Mr. McIlone ihnen freudig seine Gastfreundschaft

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