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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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kleine Fachwerkhaus gezogen, das durch die Eisenbrücke vom Hauptgelände getrennt war. Mein Großvater, die Schwestern, ihre Kinder und verschiedene Anhänger – darunter die Possils, die mitgekommen waren, um beim Umzug zu helfen – feierten erst einen Gottesdienst und anschließend ein Fest zu Ehren der Übersiedelung, dann zogen sie mit ihren bescheidenen Besitztümern im Herrenhaus und auf dem alten Bauernhof ein, fügten Mr. McIlones Büchersammlung der bereits beeindruckenden, doch wenig genutzten Bibliothek hinzu, die es dort gab, und machten sich über die folgenden Wochen, Monate und Jahre daran, die Gebäude des Hofs zu renovieren und die brachliegenden Felder wieder zu bewirtschaften.
    Mrs. Woodbeans Bruder hatte nach dem Krieg ein Vermögen mit dem Handel mit Schrott und ausgemusterten Ausrüstungsgegenständen der Army gemacht; er spielte eine Weile mit der Idee, ebenfalls zu konvertieren, und während dieser Zeit spendete er der Gemeinschaft entweder etliche potentiell wertvolle Gerätschaften aus Army-Beständen, die später oft eine neue und ungewohnte praktische Verwendung fanden, oder benutzte den Hof als Abstellplatz für wertlosen Schrott, der sich nicht in bare Münze verwandeln ließ (die Meinungen darüber sind geteilt).
    Die einzigen Dinge von tatsächlichem Nutzen, die er uns überließ – und ich vermute, daß das Deivoxiphon nicht zählt –, waren zwei Kurzwellensender auf stabilen, wenn auch räderlosen Army-Anhängern. Mr. McIlone konnte überredet werden, einen davon zu nehmen, und beide konnten schließlich überredet werden, tatsächlich zu funktionieren. Die nunmehr mit Hilfe von Windgeneratoren betriebenen Funkgeräte bildeten eine sowohl recht verläßliche als auch recht abhörsichere Verbindung zwischen den beiden Außenposten unseres Glaubens (Großvater hatte begonnen, sich bezüglich des wachsenden Interesses von Seiten der Regierung Sorgen zu machen, und schien eine Zeitlang sogar überzeugt, daß es eine Whitehall-Sonderdienststelle namens Abteilung für religiöse Angelegenheiten – oder kurz AFRA – gab, deren einziger Zweck es war, uns auszuspionieren und uns in jeder erdenklichen Weise zu behindern, obgleich er dies heute lachend als Übertreibung abtut).
    Natürlich haftete den Funkempfängern etwas eindeutig Seichtes und Neumodisches an, und sie waren der Quell von Störgeräuschen, aber Großvater hatte – vielleicht, weil das Radio ein so perfektes Sinnbild der menschlichen Seele darstellt – immer eine Schwäche für diese Geräte und war eher bereit, eins von ihnen auf dem Hof zu dulden als irgendein anderes Symptom des materialistischen Zeitalters.
    Darüber hinaus bescherte das Radio unserem Glauben einen neuen Aspekt – man könnte sogar sagen, eine Waffe –, als Großvater eines Morgens aus einem offensichtlich aus göttlicher Eingebung entsprungenem Traum erwachte und die Idee der Ätherologie hatte, bei der man auf dem Radio zuerst eine zufällige Frequenz einstellt, das Gerät dann einschaltet und die ersten Worte, die man – entweder sofort oder nach weiterem Absuchen der Skala zu beiden Seiten – hört, zum Zwecke der Weissagung und Prophezeiung benutzt.
    Somit waren wir nicht völlig ohne Verbindung zu unserer ursprünglichen Heimstatt, doch wichtiger war, daß es nach unserem Umzug in diese bewaldete, urbare Nische am Rande der zentralen Industrieregion einfacher für potentielle Konvertiten war, uns zu besuchen und sich zu entscheiden, ob sie glauben wollten oder gar, um herzukommen und zu bleiben. Ein stetes Rinnsal von Menschen, jung und alt, zumeist Briten, doch auch mit dem gelegentlichen Ausländer darunter, machte meinem Großvater seine Aufwartung, sie lauschten seinen Lehren, lasen seine Orthographie, plauderten mit ihm und sinnierten über ihr bisheriges Leben und entschieden – in einigen Fällen –, daß sie nunmehr die Wahrheit gefunden hätten und wurden so zu Erretteten.
    Die Idee für das Fest der Liebe hatte Großvater 1955. Es kam ihm in den Sinn, daß es vielleicht nicht klug wäre, sich für den gesicherten Nachschub an Schaltjährigen, die mittlerweile als Propheten und vielleicht sogar potentielle Messiasse betrachtet wurden, einzig auf göttliche Fügung zu verlassen. Tatsächlich mochte es sogar gotteslästerlich sein zu erwarten, der Schöpfer werde dafür sorgen, daß zuverlässig an einem 29. Februar ein Kind geboren wurde; das könnte so aussehen, als würde man Gottes Wohlwollen als gegebene Sache betrachten,

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