Die Auserwählte
was wiederum keine gute Idee schien.
Großvaters Lehren hatten, dank Aasnis und Zhobelias Großzügigkeit, von Anfang an ein Konzept sehr ähnlich dem der freien Liebe beinhaltet, und er hatte Offenbarungen gehabt, die die Ausweitung seiner physischen Vereinigung über die beiden Schwestern hinaus eindeutig billigten und seinen Anhängern dieselbe Freiheit bezüglich ihrer Partner zu erlauben schienen, vorausgesetzt, die Betreffenden waren einverstanden und hinlänglich aufgeklärt, um Besitzdenken und unvernünftige, unheilige Eifersucht (die als Sünde gegen Gottes Großzügigkeit und Gnade offenbart worden war) abzulehnen.
Wenn nun die Gemeinschaft der Natur hilfreich zur Seite treten wollte, um zu garantieren, daß am Ende des Februars eines Schaltjahres ein Kind geboren wurde, dann war es natürlich sinnvoll, all jene, die bereit, willens und fähig waren, in dieser Angelegenheit behilflich zu sein, zu ermutigen, sich neun Monate vorher so ausgiebig wie möglich zu vergnügen. Daher verfügte unser Gründer, daß das Ende des Monats Mai vor einem Schaltjahr der Zeitpunkt für ein Fest sein sollte; ein Fest der Liebe in all ihren Formen, einschließlich der heiligen Kommunion der Seelen durch die gesegnete Ekstase des Geschlechtsverkehrs. Der Monat vorher sollte eine Zeit der Abstinenz sein, in der die Gläubigen sich die höchste Form der Lust versagten, um sich auf das Fest vorzubereiten – und um es in vollen Zügen genießen zu können.
Natürlich werden die Zyniker, die Apostaten und die Ketzer – und jene armen Seelen, die es als Gebot ihrer eigenen pervertierten Glaubenslehren betrachten, daß die Motive anderer niemals so rein wie ihre eigenen sein können – als Grund für diese Idee anführen, daß sich zu jener Zeit etliche attraktive junge Frauen unter Großvaters Anhängern befunden hätten. Nun, mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, derartig schändliches Geschwätz aus den Reihen der zutiefst Unerretteten zu erwarten, doch Salvador höchstpersönlich hat immer wieder zu bedenken gegeben, selbst wenn ihn die Schönheit, die er damals um sich herum erblickte, irgendwie zu einer so glücklichen und feierlichen Schlußfolgerung angeleitet hätte, dann wäre dies doch im Grunde nur ein Beispiel dafür, wie Gott die Schönen benutzte, um die Weisen zu inspirieren?
Ich denke, es kam nicht von ungefähr, daß der erste wahre Vorstoß der Presse, unseren Glauben zu sabotieren, just zu jener Zeit stattfand und unserem Oberhaupt bestätigte, daß er recht daran tat, die Öffentlichkeit zu scheuen und Kameras den Zutritt zum Anwesen zu verwehren.
Aasni und Zhobelia scheinen keine Einwände gegen das Konzept des Fests gehabt zu haben; offenkundig hatten sie Vertrauen in ihre gemeinsame Beziehung zu Salvador und widmeten sich sowohl der Erziehung ihrer Kinder als auch der Verschönerung ihres Heims. Außerdem hatten sie sich mit Mr. und Mrs. Woodbean angefreundet, und auch das schien ihnen Trost zu geben. Die Schwestern waren noch immer damit beschäftigt, ihre kulinarischen Künste weiterzuentwickeln; da sie nunmehr von der Verpflichtung befreit waren, mit dem uralten Lieferwagen die Inseln zu befahren und ihre Waren feilzubieten, konnten sie noch mehr Zeit auf die Erweiterung und Verfeinerung ihres Angebots an Soßen, eingelegten Gemüsen und Chutneys verwenden.
Ebenfalls etwa um diese Zeit herum begannen sie, mit anderen, umfangreicheren Speisen und Gerichten zu experimentieren, und wagten ihre ersten zaghaften Vorstöße in die fremde und aufregende neue Welt der interkulturellen Cuisine-Kreuzung, so als könnten sie durch diese nahrhafte Promiskuität und die Verschmelzung des Schottischen und des Subkontinentalen ihren eigenen Beitrag zu den jüngst ins Leben gerufenen Festivitäten leisten. Das war der wahre Beginn der Entwicklung, die schließlich zu solchen Gerichten wie Lome Sausage, Shami Kebab, Kaninchen Masala, Fruchtpudding Chaat, Skink Aloo, Porridge Tarka, Fischpastete Aloo Gobi, Kipper Bhoona, Kartoffel-Erbsen-Pulao, Whelk Poori und Orangenmarmelade Kulfi führen sollte, und ich denke, die Welt hat durch sie alle gewonnen.
Kapitel
Dreizehn
Ich verbrachte die Nacht in einer Zelle auf einem Polizeirevier in Bristol. Der Polizei schien es verdächtig, daß ich nicht in der Lage war, mich auszuweisen, aber sie waren amüsiert über meinen Namen und meine Unschulds- und Empörungsbekundungen, zumindest bis meine Beharrlichkeit sie verärgerte und sie mir – sehr rüde, wie
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