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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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– oft im Mai, für das Fest, wenn eins stattfand – und gewöhnlich mit einem neuen Ehemann im Schlepptau.
    Yolandas zweiter Mann, von dem sie sich nach zwei Jahren wieder scheiden ließ, hieß Michael. Sie hat mir einmal erzählt, daß Michael ein Vermögen als Liquidator gemacht und dann alles in Las Vegas wieder verloren hätte, so daß er schließlich als Nachtwächter in LA endete. Vier Jahre lang, zwischen zweien ihrer Besuche, hatte ich in meiner Unkenntnis befürchtet, er wäre Berufskiller (bei Großmutter Yolanda mußte man immer auf alles gefaßt sein), und hatte so einen völlig falschen Eindruck von dem Mann.
    Ihr dritter Ehemann war Steve, der um einiges jünger als sie und ein Software-Wunderkind war, wie sie es nannte; anscheinend war er über Nacht zum Multimillionär geworden, während er mit dem Rucksack gerade durch Europa reiste. Er starb vor drei Jahren in den Anden, während er versuchte, den Sport des Lawinen-Surfens zu erfinden, was scheinbar – und offensichtlich, wie ich annehme – just so gefährlich ist, wie es sich anhört.
    Yolanda hat also mindestens zwei Vermögen geerbt und führt allem Anschein nach ein umtriebiges und ruheloses Leben; ich glaube, ihre Tochter und ihre Besuche in High Easter Offerance waren vielleicht die einzigen beiden Dinge, die ihrem rastlosen Leben etwas Stabilität verliehen.
    Aufgrund dieser Besuche kannten meine Mutter und Vater sich schon als Kinder, obwohl sie sich nur alle vier Jahre sahen. Mein Vater, Christopher, war natürlich der Auserwählte Gottes; als erster Schaltjähriger, der nach der Gründung unserer Gemeinschaft geboren wurde, war er daran gewöhnt, von allen verwöhnt zu werden. Man hat mir erzählt, daß Alice, meine Mutter, ihn ihre gemeinsame Kindheit über immer neckte und sich über die zugestandenermaßen übertrieben ehrfürchtige Behandlung lustig machte, die ihm die anderen Gemeindemitglieder angedeihen ließen. Alice war drei Jahre jünger als mein Vater, doch ich könnte mir vorstellen, daß sie aufgrund ihres Globetrotter-Lebens wenigstens so alt wie er gewirkt haben muß. Sie wurden ein Paar, als sie vierzehn war, und schrieben sich unzählige Briefe, während Alice abwechselnd mit ihrer Mutter durch die Welt reiste und die Schule in Dallas besuchte. 1973 wurden die beiden von Salvador höchstpersönlich getraut und vergeudeten offensichtlich keine Zeit, denn noch im selben Jahr kam Allan, und ich wurde – zur großen Freude der ganzen Gemeinschaft, wie man hört – am 29. Februar 1976 geboren.
    *
    »Fernsehen«, sagte ich, leicht schockiert.
    »Ich bin ins Hotel gekommen, hab den Kasten angeschaltet, um zu sehen, ob ihr hier drüben endlich ein paar mehr Kanäle hättet, und gleich das erste, was ich sehe, bist du, wie du in eine Grüne Minna gesteckt wirst und wüste Beschimpfungen brüllst.«
    »Grundgütiger«, murmelte ich. Ich hielt darin inne, mein Frühstück herunterzuschlingen, und dachte nach. »Nun, ich nehme an, der Schöpfer kann die Werke der Unbedarften benutzen, um die Hand des Schicksals zu führen, wenn Er es für nötig befindet; es steht uns nicht zu, an Seiner Weisheit zu zweifeln.« Ich zuckte die Achseln und machte mich wieder über meinen Räucherlachs, die Rühreier und die Pfannkuchen mit Sirup her.
    Wir saßen in Großmutter Yolandas Suite im obersten Stockwerk ihres Hotels, einem verwerflich luxuriösen ehemaligen Herrenhaus auf einem Hügel hoch über der Stadt. Ich war gerade aus der Dusche in dem Marmor-und-Mahagoni- Badezimmer gekommen und hockte jetzt auf dem Fußboden des Wohnzimmers, eingehüllt in einen riesigen, weißen, flauschigen Bademantel, den Rücken gegen eine Couch mit einem wunderschönen Blumenmuster gelehnt. Yolanda hatte mir mein Haar abgetrocknet und dann ein Handtuch um meinen Kopf gewickelt. Vor mir auf dem Couchtisch stand ein großes Silbertablett, über und über beladen mit Speisen. Ich schlürfte Kaffee und mampfte Lachs, während ich den Ausblick über Bath genoß, das jenseits der hohen Fenster und zwischen den geschwungenen Falten schwerer grüner Samtvorhänge zu sehen war. Ich fühlte mich sauber, erfrischt, sündig parfümiert von der Seife in der Dusche und einfach nur trunken von all der Pracht; in der Zwischenzeit füllte sich mein Magen mit Essen. Es wird den Aufmerksameren unter den Lesern nicht entgangen sein, daß meine Großmutter mütterlicherseits nie wirklich Gefallen an den asketischeren Aspekten unseres Glaubens gefunden hat und es

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