Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
tun? Ich will natürlich genauso sehr wie alle anderen wissen, wer ich bin.«
»Du musst für alles offen sein und deine Gedanken wandern lassen. Sag die Wahrheit, wenn dir irgendwas bekannt vorkommt – und sei es noch so vage.«
»Nichts –«, wollte Thomas anfangen, unterbrach sich dann aber. Seit seiner Ankunft war so derart viel passiert, dass er schon fast vergessen hatte, wie bekannt ihm die Lichtung in jener ersten Nacht, als er neben Chuck eingeschlafen war, vorgekommen war. Dass er sich fast wie zu Hause gefühlt hatte. Nichts von Angst und Schrecken wie bei den anderen.
»Ich sehe doch, dass dir etwas durch den Kopf geht«, sagte Newt leise. »Sag’s mir.«
Thomas zögerte immer noch, weil er sich vor den Konsequenzen fürchtete. Aber er war die Geheimniskrämerei leid. »Na ja … ich kann nichts Genaues sagen.« Er sprach langsam und wohlüberlegt. »Aber anfangs, als ich hergekommen bin, da habe ich mich gefühlt, als wäre ich schon mal hier gewesen.« Er sah Newt an und hoffte Verständnis in seinen Augen zu sehen. »Haben andere auch so was erlebt?«
Newts Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Er verdrehte nur die Augen. »Äh, nein, Tommy. Die meisten von uns haben eine Woche damit verbracht, sich vor Angst in die Hose zu machen und rumzuflennen wie die Babys.«
»Ja, äh.« Thomas zögerte, weil ihm das Ganze auf einmal so unangenehm war. Was sollte das alles bedeuten? War er anders als die anderen Jungen? Stimmte etwas mit ihm nicht? »Alles kam mir irgendwie bekannt vor und ich wusste, dass ich Läufer werden wollte.«
»Das ist verdammt interessant.« Newt musterte ihn, ohne mit seinem Misstrauen hinterm Berg zu halten. »Tja, konzentrier dich weiter darauf. Überleg genau, lass deine Gedanken wandern und denk über die Lichtung nach. Stöber in allen Winkeln und Ecken deines Gehirns herum. Uns allen zuliebe: Streng dich an!«
»Versprochen.« Thomas schloss die Augen und durchforstete die Dunkelheit in seinem Kopf.
»Nicht jetzt, du Neppdepp.« Newt lachte. »Ich meine nur: Versuch’s von jetzt an. In deiner Freizeit, beim Essen, Einschlafen, Herumlaufen, Arbeiten und so weiter. Erzähl mir alles, was dir auch nur im Entferntesten bekannt vorkommt. Ist das klar?«
»Ja, ist klar.« Thomas fürchtete nach wie vor, dass der Ältere ihm nicht mehr vertraute und das nur verheimlichte.
»Gut, das«, sagte Newt und wirkte fast zu freundlich. »Als Allererstes gehen wir mal jemanden besuchen.«
»Und wen?«, fragte Thomas, wusste die Antwort aber schon, sobald er die Frage ausgesprochen hatte. Scheu überkam ihn.
»Das Mädchen. Ich will, dass du sie dir anguckst, bis dir die Augen ausm Kopf fallen. Vielleicht löst das ja irgendwas in deinem Schrumpfhirn aus.« Newt hob die Papierkugel hoch und stand auf. »Und dann erzählst du mir jedes Wort, das Alby zu dir gesagt hat.«
Thomas seufzte und kam auf die Füße. »Okay.« Er wusste nicht, ob er es schaffen würde, die ganze Wahrheit über Albys Anschuldigungen herauszubringen, ganz zu schweigen von seinen Gefühlen für das Mädchen. Sah so aus, als wäre es doch noch nicht ganz vorbei mit der Geheimniskrämerei.
Die Jungen liefen zurück zum Gehöft, wo das Mädchen nach wie vor im Koma lag. Thomas machte sich Sorgen, was Newt über ihn denken mochte. Er hatte sich ihm anvertraut und er mochte Newt wirklich gern. Wenn Newt sich jetzt auch noch gegen ihn wenden würde, wäre das furchtbar.
»Wenn’s so nicht funktioniert«, sagte Newt und unterbrach Thomas bei seinen Grübeleien, »dann schicken wir dich zu den Griewern – dann musst du dich stechen lassen, damit du verwandelt wirst. Wir brauchen deine Erinnerungen.«
Thomas gab ein sarkastisches Ha-ha zum Besten, aber Newt lächelte nicht.
Das Mädchen sah aus, als würde es friedlich schlafen und könnte jede Minute aufwachen. Thomas hatte befürchtet, dass sie zum Skelett abgemagert sein oder wie kurz vorm Tod aussehen würde. Aber ihre Brust hob und senkte sich regelmäßig beim Atmen und ihre Haut war rosig.
Einer der Sanis, der kleine, war da – Thomas hatte seinen Namen vergessen – und träufelte dem komatösen Mädchen tropfenweise Wasser in den Mund. Auf einem Tischchen neben dem Bett stand noch der Rest ihres Mittagessens – Kartoffelbrei und Suppe. Sie taten wirklich alles Menschenmögliche, um sie am Leben und gesund zu halten.
»Hey, Clint«, sagte Newt in vertrautem Tonfall, als käme er häufig zu Besuch her. »Wie macht sie sich?«
»Ihr geht’s gar
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