Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
nicht schlecht«, antwortete Clint, »aber sie redet ständig im Schlaf. Wir glauben, dass sie bald aufwachen wird.«
Thomas merkte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Er hatte nie ernsthaft damit gerechnet, dass sie aufwachen und gesund werden und mit den Lichtern reden würde. Er hatte keine Ahnung, warum ihn diese Vorstellung auf einmal so nervös machte.
»Hast du alles aufgeschrieben, was sie sagt?«, fragte Newt.
Clint nickte. »Das meiste ist völlig unverständlich. Aber ansonsten, ja.«
Newt zeigte auf den Notizblock auf dem Nachttisch. »Gib mir mal ein Beispiel.«
»Na ja, dasselbe, was sie gesagt hat, als wir sie aus der Box geholt haben: dass alles anders wird. Anderes Zeug über die Schöpfer und dass ›alles enden muss‹. Und äh …« Clint sah in Thomas’ Richtung, als wollte er nicht weitersprechen, solange er dabei war.
»Sag’s ruhig. Er kann alles hören, was ich höre«, versicherte ihm Newt.
»Na ja … ich versteh ja nicht alles, aber …« Clint warf Thomas wieder einen Blick zu. »Sie sagt ständig seinen Namen, immer und immer wieder.«
Thomas wäre beinahe umgefallen, als er das hörte. Würden die Anschuldigungen gegen ihn irgendwann mal aufhören? Woher kannte ihn das Mädchen bloß? Es war wie ein fürchterliches Jucken unter seiner Schädeldecke, das einfach nicht zu lindern war.
»Danke, Clint«, sagte Newt, was für Thomas so klang, als solle der jetzt gehen. »Mach uns einen schönen Bericht über alles, ja?«
»Ist gebongt.« Der Sani nickte beiden zu und ging aus dem Krankenzimmer.
»Hol dir ’n Stuhl«, sagte Newt und setzte sich selbst auf die Bettkante. Thomas war erleichtert, dass die Anschuldigungen noch auf sich warten ließen, nahm einen Stuhl vom Tisch weg und stellte ihn direkt neben den Kopf des Mädchens. Er setzte sich, beugte sich vor und betrachtete ihr Gesicht.
»Erinnert sie dich an irgendetwas?«, fragte Newt. »Woran denkst du?«
Thomas antwortete nicht, blickte sie unverwandt an und versuchte die Gedächtnisblockade in seinem Gehirn zu durchbrechen und irgendwo dieses Mädchen aufzuspüren. Er dachte an den kurzen Moment zurück, in dem sie die Augen aufgeschlagen hatte, als sie aus der Box geholt worden war.
Blau waren ihre Augen gewesen, von einem tieferen Blau, als er es jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Er versuchte jetzt sich diese offenen Augen vorzustellen, während er ihr schlummerndes Gesicht ansah, und beides miteinander zu vereinen. Die schwarzen Haare, die reine weiße Haut, die geschwungenen Lippen … während er sie anstarrte, wurde ihm klar, wie wunderschön sie war.
Ein Gefühl des Wiedererkennens kitzelte ihn in seinem Hinterkopf – ein Flattern von Flügeln in einer dunklen Ecke, unsichtbar, aber dennoch da. Es war nur ein Sekundenbruchteil, bevor es im Abgrund seiner anderen vernichteten Erinnerungen verschwand. Aber er hatte etwas gespürt.
»Ich kenne sie«, flüsterte er und lehnte sich im Stuhl zurück. Es war ein gutes Gefühl, das endlich offen zuzugeben.
Newt sprang auf. »Was? Wer ist sie?«
»Das weiß ich nicht. Aber etwas hat gerade Klick gemacht – ich kenne sie irgendwoher.« Thomas rieb sich die Augen, enttäuscht, dass die Verbindung nicht stärker war.
»Tja, dann such verdammt noch mal weiter – lass nicht locker. Konzentrier dich.«
»Ich probier’s ja, also sei still.« Thomas schloss die Augen, durchsuchte verzweifelt die Dunkelheit seiner Gedanken, suchte in der Leere seines Schädels nach ihrem Gesicht. Wer war sie? Die Ironie der Frage wurde ihm bewusst – er wusste ja nicht mal, wer er selbst war.
Er beugte sich wieder vor und atmete tief durch, dann sah er Newt an und schüttelte den Kopf. »Ich geb’s auf –«
Teresa.
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Thomas im Stuhl hoch, der rückwärts umfiel, und drehte sich im Kreis. Er hatte etwas gehört …
»Was ist los?«, fragte Newt. »Ist dir was eingefallen?«
Thomas beachtete ihn nicht, sondern sah sich völlig verwirrt im Zimmer um, dann zurück zu dem Mädchen.
»Ich …« Er setzte sich wieder und blickte hinab auf das Gesicht des Mädchens. »Newt, hast du gerade was gesagt? Bevor ich aufgestanden bin?«
»Nein.«
Natürlich nicht. »Oh. Ich dachte nur gerade … ich dachte, ich hätte etwas gehört. Vielleicht war es in meinem Kopf. Hat … hat sie etwas gesagt?«
»Sie?«, fragte Newt mit hellwachem Blick. »Nein. Warum? Was hast du gehört?«
Thomas hatte Angst, es zuzugeben. »Ich … ich
Weitere Kostenlose Bücher