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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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aber trotzdem. Und was ist mit denen, die nicht gewarnt werden?«
    Die Schienen waren fast vollkommen von Sand und Schnee bedeckt, und der Lärm des Meeres übertönte das Stampfen der Diesellok, kaum dass diese an ihnen vorbeigefahren war. Wieder und wieder versuchte die Schranke, sich nach unten zu senken, doch sie klemmte fest. Niels spürte die angeborene Abscheu des Polizisten gegen unsichere Verkehrseinrichtungen. Irgendwann würde einer seiner Kollegen hier stehen und die Hinterbliebenen trösten müssen, Ambulanz und Feuerwehr koordinieren und herauszufinden versuchen, wer eigentlich die Schuld trug.
    Der breite Nordseestrand war fest, kleine Priele hatten sich in den Sand gegraben. Sie mussten mit großen Schritten darüber hinweg, während der Wind sie umzuwehen versuchte. Hannah lächelte.
    »Worüber lachst du?«
    Sie konnte nicht wieder aufhören.
    »Was. Was ist denn?«
    Sie hielt sich lachend die Hand vor den Mund, doch ihr Glucksen war deutlich zu hören.
    Vielleicht sah Niels ja einfach nur komisch aus.

7.
    7.
    Nordsee Im Hotel roch es wie in einem Schullandheim nach Butterbroten und nassen Kleidern. Böden und Wände waren aus Holz, und als Deko dienten ausschließlich Bilder mit Meeresmotiven, obgleich man dafür ja bloß aus dem Fenster zu schauen brauchte. Die Rezeption war verwaist, und Niels suchte nach einer Glocke, um mit seinen kalten Fingern ein Zeichen zu geben. Dann tauchte hinter ihm die Hotelangestellte auf.
    »Guten Abend«, sagte sie.
    »Guten Abend.« Niels’ Gesicht schmerzte vor Kälte. »Haben Sie geöffnet?«
    »Das ganze Jahr. Wie viele Übernachtungen?« Sie ging hinter den Rezeptionstresen.
    »Äh …« Hannah warf Niels einen Blick zu.
    »Erst mal fünf«, sagte er. »Es können aber auch noch mehr werden.«
    Die Frau warf einen Blick auf den Computerbildschirm.
    »Ein Doppelzimmer?«
    »Nein.« Niels’ Blick begegnete Hannahs. »Zwei Einzelzimmer.«
    Ein Fenster zum Meer. Ein Stuhl, ein schlichter Tisch, ein Kleiderschrank und ein dicker, roter Teppich. Niels legte sich auf das Bett. Es war weich und raschelte und hing fast wie eine Hängematte durch. Aber das machte nichts. Er schloss die Augen. Drehte sich auf die Seite, zog die Beine etwas an und schob die Hände unter seine Wange. Dann stellte er sich vor, dass jemand ihn ansah. Von oben. Vielleicht er selbst. Oder ein Vogel. Er sollte ins Badezimmer gehen und das Mal genauer studieren. Aber der Gedanke verschwand ebenso schnell wieder, wie er ihm gekommen war. Er schlief ein und sank einen halben Zentimeter tiefer in die Matratze, aber immer wieder huschten Gedanken durch seinen Schlaf: Sie drehten sich um seine Mutter, um die Klimakonferenz und um Abdul Hadi. Und auch die Worte des Pastors kamen ihm wieder in den Sinn: – Aber Mama, was ist, wenn das Monster auch eine Mutter hat?
    »Niels?«
    Eine Stimme, weit entfernt. Hatte er geschlafen?
    »Niels.«
    Hannah. Draußen auf dem Flur.
    »Wir sollten was essen. Treffen wir uns in zehn Minuten im Restaurant? Oben im zweiten Stock.«
    »Ja.« Er stützte sich auf die Ellenbogen. »In zehn Minuten.«
    ***
    Das Restaurant war in weißem Holz gehalten. Trockene Strandblumen dekorierten die Wände, und die Fenster waren weihnachtlich geschmückt. Sie waren die einzigen Gäste. Als Hannah aus einer Ecke des Restaurants auftauchte, hatte Niels das Gefühl, dass sie sich hinter den Kulissen auf ihren Auftritt vorbereitet hatte. Sie war irgendwie verändert.
    »Hast du schon bestellt?«, fragte sie.
    »Nein. Die Frau von der Rezeption bedient hier. Wahrscheinlich kocht die auch.«
    »In Personaleinheit mit dem Hoteldirektor.«
    Sie lachten. Die Frau kam zu ihnen.
    »Haben Sie schon gewählt?«
    »Wir trinken erst noch einen Schluck.«
    »Weißwein«, sagte Hannah schnell.
    »Einen bestimmten?«
    »Den besten, den Sie haben.« Niels lächelte die Hotelangestellte an. »Wenn die Welt ohnehin am Wochenende untergeht, können wir uns jetzt auch den besten leisten.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte die Bedienung und sah ihn verwirrt an.
    »Ich auch nicht.«
    Die Frau lächelte unsicher und verschwand.
    »Das ist doch kein Grund, sie nervös zu machen«, sagte Hannah.
    »Warum soll sie es denn nicht wissen? Vielleicht würde sie vorher gern noch etwas erledigen.«
    »Darüber haben wir auch am Institut gesprochen.«
    »Ihr habt über den Weltuntergang gesprochen?«
    »Klar. Wenn man den Weltraum beobachtet, sieht man ständig Sonnen, die verlöschen, und Galaxien, die

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