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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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dachte er. Oder noch weiter weg.
    »Wir legen Ihnen jetzt eine Sauerstoffmaske an.« Die Stimme drang glatt durch ihn hindurch. Fast unangenehm laut. »Ihre Lunge …«
    Er hörte jemanden sagen: »Die Lunge ist zusammengefallen.« Wärme. Er drehte den Kopf.
    »Wir müssen das Hemd auftrennen.«
    Das Geräusch von reißendem Stoff.
    »Hannah?« Sie lag neben ihm. Mit geschlossenen Augen, Tropf und Sauerstoffmaske. Es sah komisch aus. Ihm war fast nach Lachen zumute, und ihm lag die Frage auf den Lippen: Warum liegst du da? Aber stattdessen hörte er ein Geräusch in seinem Kopf, das nur bedeuten konnte, dass die Welt um ihn herum einstürzte, gefolgt von einer Stille, die nichts Gutes verhieß.
    »Können Sie mich hören?«
    Eine neue Stimme.
    »Ich bin Arzt.«
    »Hannah …«
    »Ihre Frau ist bewusstlos. Wir fliegen Sie nach Skeiby. Da erhalten Sie die bestmögliche …«
    Er wurde unterbrochen. Jemand korrigierte ihn. Eine kurze Diskussion. Brandwunden auf dem Rücken . Dann war der Arzt wieder da: »Wir fliegen ins Rigshospital. Das dauert nur wenige Minuten länger. Dort ist die einzige Intensivbehandlungsstation für Schwerbrandverletzte.«
    »Rigshospital …«
    »Kopenhagen. Verstehen Sie, was ich sage? Können Sie mich hören? Sie haben starke Verbrennungen am Rücken.«
    »Rigshospital …«
    Der Arzt flüsterte dem anderen etwas zu. Stimmen, die immer wieder verschwanden.
    »Hat das Auto gebrannt?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Ein Gesicht ganz dicht vor seinem. Ein Augenpaar, grau und ernst.
    »Er ist vollkommen weggetreten.«
    Die andere Stimme: »Verlieren wir ihn?«
    »Er ist wieder da.«
    »Nicht Rigs…hos…pi… nicht!«
    Niels wurde mit einem Mal klar, dass er seinen Mund nicht bewegen konnte. Er redete, aber es kam nichts heraus.
    Dann legte jemand eine Decke über ihn.

Teil III: Abrahams Buch
    Teil III
    Abrahams Buch

Da sprach Isaak: Mein Vater! Siehe, hier ist Feuer und Holz;
wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?
Abraham antwortete:
Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer.
Und gingen beide miteinander.
    1. B UCH M OSE 22

1.
    1.
    Rigshospital, Kopenhagen
    Niels war weg. Wäre er bei Bewusstsein gewesen, hätte er den Rettungshubschrauber auf der Plattform des Krankenhauses landen sehen; er hätte gesehen, wie Ärzte und Pfleger ihn in Empfang nahmen und über einen Zwischengang auf dem Dach zum Aufzug schoben.
    ***
    Hannah wurde neben ihm her geschoben, als er auf einmal Stimmen hörte; Halbsätze, einzelne Worte, die durch den Nebel sickerten: Von einem Zug angefahren … Nein, von einem Auto an einem Bahnübergang … Warum nicht Skeiby … Schlechte Sicht … Verbrennungen … Traumatologie …
    Ein Satz drang klar zu ihm durch.
    »Ich habe bei ihr keinen Puls mehr.«
    Eine andere Stimme antwortete, es entstand eine Diskussion, glaubte Niels, aber er war sich nicht sicher. Er sah sich selbst die Hand nach ihr ausstrecken und hörte sich flüstern: »Hannah.«
    »Wir sind gleich da.«
    »Hannah.«
    »Wir verlieren sie. Wir müssen …«
    Sie blieben stehen, dachte Niels, bis ihm in seinem vom Morphin benebelten Zustand klarwurde, dass lediglich Hannah stehenblieb, während er weitergeschoben wurde. Dieser Moment war der schlimmste von allen. Schlimmer als der Unfall selbst, der Moment, in dem das Auto in ihn hineingerast war. Niels hatte das Gefühl, entzweigerissen zu werden. Aus den Augenwinkeln sah er – oder vielleicht nahm er das auch nur wahr –, dass sich die Ärzte über Hannah beugten und …
    Er verlor wieder das Bewusstsein.
    Gleichgültig. Es war vorbei. Es war gut. Dauerte nur einen Augenblick. Denn schon im nächsten …
    Mittwoch, 23. Dezember
    … kam ihm das Licht entgegen. Er dachte: Das war es also. Er verspürte keine Angst, hatte nur ein resigniertes Schulterzucken übrig für das Licht, das sich hinter der Dunkelheit zeigte, das langsam verebbende Leben und das Gesicht, das sich über ihn beugte. Eine hübsche Frau, vielleicht ein Engel, der …
    »Ist er wach?«
    Der Engel sprach zu ihm.
    »Ja. Er wacht jetzt auf.«
    Zwei Krankenschwestern sahen ihn an. Die jüngere der beiden – der Engel – mit sichtlicher Neugier, die andere nur mit kühler Distanz.
    »Hannah«, flüsterte er.
    »Ich hole einen Arzt.«
    Niels konnte nicht feststellen, wer von den beiden das gesagt hatte. Er drehte den Kopf und sah aus dem Fenster: Schneeflocken wurden von dem Licht der Klinik erhellt, das immer brannte. Er versuchte, sich alles ins

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