Die Auserwählten
Und du wirst ihren Rotwein lieben. Zeig mir die Pillen.«
Er hielt die kleine Packung vor die Kamera.
»Noch dichter.«
Er gehorchte. Kathrine las laut: »Apozepam. Fünf Milligramm. Angstlösend und beruhigend.«
»Allan hat einen Freund, bei dem das richtig gut gewirkt hat«, sagte Niels.
»Allan?«
»Einer aus der mobilen Einsatzgruppe.«
»Ich dachte, du wärst der einzige Polizist, der nicht fliegen kann.«
»Ich kann fliegen, nur nicht verreisen.«
»Und wo ist da der Unterschied? Nimm einfach die Pillen. Nimm zwei, und ich will das sehen.«
Niels schüttelte grinsend den Kopf. Dann legte er sich zwei kleine Pillen auf die Zunge.
»Prost.«
»Runter damit, Schatz.«
Als die Pillen mit einem halben Glas Rotwein runtergespült waren, wechselte Kathrine das Programm, genau wie erwartet.
»Sollen wir spielen?«
»Willst du?«
»Du weißt, dass ich will. Zieh mich nicht auf. Los, weg mit den Klamotten.«
***
Kathrine war seit sechs Monaten in Kapstadt. Erst hatte sie nicht gehen wollen. Oder genauer: So getan, als wollte sie nicht gehen. Niels verstand ihre Taktik nur zu gut. Er hatte von Anfang an erkannt, dass ihre Skepsis in erster Linie ihn und seine Reaktion betraf. Was würde er sagen, wenn sie fortging?
Als die Entscheidung dann endlich gefallen war, hatte Niels das als eine große Erleichterung empfunden. Nicht weil er sich über den Gedanken freute, eine Weile ohne Kathrine zu sein, sondern weil die Ungewissheit vorbei war. Es hatte vor ihrer Abreise sogar Momente gegeben, in denen er sich dabei ertappt hatte, sich darauf zu freuen, allein zu sein, aber das hatte er ihr nie gesagt. Er konnte nicht erklären, warum, denn er wusste, dass ihn die Einsamkeit und die Sehnsucht hart treffen würden. Am letzten Abend hatten sie gestritten und dann auf dem Sofa miteinander geschlafen. Danach hatte Kathrine geweint und gesagt, sie würde es ohne ihn nicht aushalten. Sie wollte sogar ihren Chef anrufen und alles abblasen. Aber natürlich blieb es bei dem bloßen Gedanken.
Sie verabschiedeten sich frühmorgens unten am Auto. Die Luft war schwül und verhieß Regen. Niels fühlte sich vollkommen leer. Vor seinen Augen flimmerte es. Als Kathrine sich nach vorne beugte und ihn küsste, waren ihre Lippen warm und weich. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, das er nicht richtig verstand, so dass er sich noch den ganzen nächsten Tag gefragt hatte, was sie gesagt hatte. Sollten wir uns nicht wiedersehen … gleichzeitig hatte er das untrügliche Gefühl, dass es gut war, nicht auch das Ende des Satzes gehört zu haben.
***
»Stell dich so hin, dass ich dich sehen kann«, sagte Kathrine.
Als Niels wieder auf den Bildschirm blickte, war sie ihm zuvorgekommen. Sie saß nackt auf dem Stuhl, den sie etwas zurückgeschoben hatte, damit Niels all das sehen konnte, was er vermisste.
»Zieh dich langsam aus, Schatz, du siehst so gut aus. Ich will alles genießen.«
Wenn es zum Sex kam, war Kathrine wie von einem anderen Stern. Einem Stern, auf dem Sex nichts mit Scham oder Scheu zu tun hatte und auf dem man sich für nichts genierte. Er liebte das. Auch wenn es ihn bis an seine Grenzen forderte. Kathrine hatte ihm beigebracht, seinen eigenen Körper zu mögen, wobei es an diesem wirklich nichts auszusetzen gab. Im Gegenteil. Niels war von der Schöpfung reichlich bedacht worden: Er war groß, ohne schlaksig zu sein, hatte gut proportionierte Muskeln, ohne wie eine Bulldogge zu wirken. Die Haare auf seiner Brust waren grau geworden, eine Veränderung, die Kathrine voller Spannung und nicht ohne Begeisterung verfolgt hatte. Doch bevor er ihr begegnet war, hatte sich sein Körper angefühlt, als wäre er einfach an den Kopf angeschraubt worden. Damals konnte er damit nur tun, was das Hirn befahl. Kathrine hatte ihn gelehrt, dass der Körper seinen eigenen Willen hatte und seine eigenen Gelüste. Und dass die Kommandos, wenn es zum Sex kam, in der anderen Richtung gegeben wurden. Jetzt sandte sein Körper Nachrichten an seinen Kopf aus und ließ keinen Zweifel daran, was er gern wollte. Und dem sollte Folge geleistet werden.
»Dreh dich um, ich will deinen Po sehen, wenn du die Hose ausziehst«, befahl sie.
Niels stellte sich mit dem Rücken zur Kamera und ließ seine Jeans langsam nach unten gleiten. Er wusste, dass sie es so wollte. Hm, eigentlich überraschend, er hatte nicht damit gerechnet, dass es heute Nacht da unten noch Leben geben würde. Sex und Tod. Lust und Furcht .
»Und jetzt lass mich dich
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