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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Ich habe doch gar keine Möglichkeit, das zu untersuchen. Wie soll ich das denn machen?«
    Einen Augenblick lang blieb es still. Dann sagte Niels: »Haben Sie Kapstadt gesagt?«
    »Ich habe gesagt … nein, das System sagt, dass Mord Nummer vierzehn am Freitag, dem 24. Juli, bei Sonnenuntergang in Khayelitsha, einem Vorort von Kapstadt begangen worden ist. Ich kann Ihnen eine SMS mit den genauen Längen-und Breitengraden schicken.«
    »Tun Sie das.« Niels wurde unterbrochen, als der Ladenbesitzer plötzlich einen uralten Kassettenrekorder auf den Tresen knallte.

49.
    49.
    Kapstadt, Südafrika
    Es hätte ein Gemälde sein können: die Bucht, der Indische Ozean, die Palmen. Wenn Kathrine oben in der elften Etage in ihrem Büro saß, dachte sie oft an das Porträt, das jedes Jahr von ihr und ihrer Schwester gemacht werden musste, als sie noch Kinder waren.
    Sie wohnten auf dem Land und mussten dafür nach Roskilde fahren. Schon von weitem erkannten sie den nadelspitzen Doppelturm der Domkirche, der in den Himmel ragte. Er zeigte zu Gott – sah aber wie eine Kriegserklärung aus. Komm bloß nicht näher .
    Kathrine liebte die Stadt. Neue Kleider, ein Riesensupermarkt, in dem sie jedes Mal zwischen den endlosen Gängen mit Konserven und Gewürzen verlorenging. Und die Rolltreppe, vor der sie ein bisschen Angst hatte, über die sie aber immer nach oben in die erste Etage fuhren, wo sie fotografiert werden sollten. Der Fotograf zeigte ihnen die verschiedenen Bildhintergründe, doch aussuchen durften sie sich die nicht: Zuerst kam immer der Wald. Dieses Motiv mochte ihre Mutter besonders. Kathrine fand den Wald unangenehm und beklemmend. Bemooste Bäume im Innern des Waldes, wohin die Sonne nur vordrang, wenn die Bäume die Blätter abwarfen. Ihrer kleinen Schwester kam es mit ihrem schlechten Geschmack nur auf möglichst viele Farben an, am liebsten Hellrot. Doch es gab auch das Strandbild, in das Kathrine sich verliebt hatte, das ihre Mutter aber stets kategorisch ablehnte. Warum dieser Hintergrund kein einziges Mal auch nur infrage gekommen war, wusste Kathrine bis heute nicht. Das Foto war schräg von oben aufgenommen worden, als säße man auf der Steilküste und blickte über das Meer. In der Regel endete die Bildauswahl mit einem Kompromiss: eine Lichtung, die Bäume weit im Hintergrund. Weiß Gott welchem unbewussten sexuellen Muster die Wahl ihrer Mutter entsprach, oder was sie damit zu verdrängen suchte. Kathrine hatte sich oft gefragt, ob sie vielleicht nur in diesem Büro, in diesem Teil der Welt saß, weil die Aussicht dem Hintergrund glich, der ihr als Kind so nachdrücklich verwehrt worden war. Sie wollte Licht, ihre Mutter hingegen bestand auf dem finsteren Dunkel: Das Dunkle passte zu der Stimmung, die zu Hause herrschte. Kathrines Vater hatte ›schwarze Löcher‹, jedenfalls nannte ihre Mutter das so. Heute sprach man eher von ›manisch depressivem‹ Verhalten. Wobei die manischen Phasen ihres Vaters sehr selten gewesen waren. Hätte er diese nur häufiger gehabt. Väter, die entweder zu Tode betrübt oder himmelhoch jauchzend waren. Waren sie oben, war alles möglich: Reisen, neue Autos, ein Umzug ins Ausland. Doch in ihrem Elternhaus war das anders gewesen. Entweder war ihr Vater einigermaßen normal und still, oder er sagte kein Wort und saß nur wochenlang da, lautlos wie ein Reptil.
    Klimaanlage. Schallschutzfenster. Marc zirkulierte draußen im angrenzenden Großraumbüro, in dem die Sekretäre, die jüngeren Architekten und die Ingenieure saßen, und suchte nach einer Entschuldigung, wieder in ihr Büro zu kommen. Ob sie mit ihm ins Bett gehen sollte? Sie hatten miteinander geflirtet, daran gab es keinen Zweifel. Der Gedanke an Sex mit Marc war erregender gewesen, als sie noch an Niels’ Besuch geglaubt hatte. Jetzt, da er nicht kam und Marc tatsächlich zum Greifen nah war, war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie das wollte. Marc suchte durch die Glaswand Blickkontakt mit ihr. Sie drehte sich um und sah aus dem Fenster. Mutters verbotene Aussicht. Meer und Licht.
    »Hey, Kathrine.«
    Marc stand in der Tür und schob seinen Unterleib kaum merkbar einen Zentimeter vor.
    »Marc?«
    »No holiday?«
    Er hatte den charakteristischen südafrikanischen Burenakzent. Nicht gerade sexy. Sie antwortete ihm auf Englisch: »Ich wollte nur gerade noch die letzten Mails abschicken.«
    »Kommt dein Mann?«
    Er wusste ausnehmend gut, dass Niels nicht kam. Marc war jetzt gar nicht charmant. Kathrine

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