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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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nach Hause zurückgekehrte Tochter in den Armen ihrer Eltern. Hier war sie bereit zu sterben. Marc hatte diese Empfindungen nicht. Er war in Afrika aufgewachsen, liebte seine Heimat, war aber nicht bereit, dafür zu sterben. Deshalb hatte er auch Sicherheitskräfte angeheuert, um sie zu eskortieren. Gegen Nachmittag tauchten mit breitem Grinsen drei Zulus auf, die immer nur lachten, egal was Kathrine auch sagte.
    Sie hatten Maschinengewehre und Jagdflinten bei sich. Alle Afrikaner hatten die verschiedensten Namen, für jeden Anlass einen, ähnlich wie die Künstler in Europa und Amerika. Ein Name war für die Weißen gedacht, und der hatte nichts mit ihrem richtigen Namen zu tun – den sie nie verrieten. Sie mochten es auch nicht, wenn man danach fragte. Sie stellten sich mit Bobby, Michael und Andy vor.
    »Khayelitsha?«
    »Yes.«
    »Why do you want to go there?«, fragte einer von ihnen und grinste wieder. »Nothing there, nothing there«, wiederholte er.
    »Ist das wirklich notwendig?«, fragte Kathrine, als Marc die Pistole in das Handschuhfach des staubigen Pick-ups legte.
    »Cathy.« Er drehte sich um und lächelte sie an. Es gefiel ihr nicht, Cathy genannt zu werden. »This is not peaceful Scandinavia. This is South Africa. You need a gun.« Es war möglich, dass er die weißesten Zähne der Welt hatte.
    »But …« Sie geriet ins Stocken. Etwas in seinem Blick mahnte sie zu schweigen. Er brauchte es nicht einmal laut zu sagen: Sie konnte hören, was er dachte. Aber was weiß schon eine verwöhnte Frau aus einem Märchenland wie Dänemark davon?
    Die drei Afrikaner fuhren dicht hinter ihnen, und Marc ließ sie nicht einen Moment aus den Augen.
    »A murder, eh?«, sagte er.
    Kathrine zuckte lächelnd mit den Schultern. »I know. Lots of murder in South Africa.« Sie zündete sich eine Zigarette an. Noch eine gute Sache in Afrika. Hier konnte man sich zu Tode rauchen, ohne auf eine Mauer vorwurfsvoller Blicke zu stoßen. Hier war der Tod ein Teil des Lebens. Er war auf eine ganz spezielle Weise nah und allgegenwärtig, während die Menschen zu Hause immer überrascht reagierten, wenn der Tod an die Tür klopfte. Als hätten sie nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass das Fest einmal zu Ende gehen könnte.
    Eine Unmenge Leben und eine Unmenge Tod. Das war Afrika. In Dänemark war es umgekehrt: Dort lebte man nicht richtig. Und den Tod gab es offiziell gar nicht. Das Leben war ein schwammiges Mittelding: ein Dasein, bei dem ein Tag den anderen ablöste, ohne dass man es richtig bemerkte.
    Sie hustete. Die Zigaretten, die sie hier gekauft hatte, brannten im Hals, und es war ein anstrengender Tag gewesen. Sitzungen und nicht enden wollende Telefonate. Am Morgen hatten bereits einhundertneun unbeantwortete E-Mails in ihrem Posteingang gewartet, und auch am kommenden Tag würde das nicht anders sein.
    »Wo in Khayelitsha?« Marcs Stimme war rau und maskulin, was klar zu seinen Pluspunkten zählte. Abzüge gab es aber für seinen Akzent, diese unschöne Mischung aus Holländisch und Englisch.
    Sie reichte ihm den Zettel mit den GPS-Koordinaten und einer Adresse, die den Standort ungefähr angab. Es war ein Heidenaufwand für die IT-Spezialisten der Firma gewesen, Niels’ GPS-Koordinaten in eine verwendbare Adresse umzumünzen.
    »Okay.« Er sah sie auffordernd an. Marc war wirklich all das, was Niels nicht war. Bei ihm gab es keine dunklen Seiten, keine unerklärlichen Launen und keine Abgründe. Er war einfach nur Marc. Ziemlich anziehend und etwas nervig.
    Sie fuhren über eine zwölfspurige Autobahn aus rabenschwarzem, frischem Asphalt. Marc schlürfte seinen Coffee to go und versuchte, im Radio einen Sender zu finden, gab es dann aber wieder auf. Kathrine blickte nach hinten. Andy winkte ihr aus dem anderen Auto mit breitem Lächeln zu. Die Temperatur draußen betrug sicher dreißig Grad, und die Luft war knochentrocken, voller Abgase, Staub und Sandpartikel, die aus den weiten Savannen in die Stadt geweht wurden. Überall wurde gebaut. Turmhohe Kräne reckten sich an den Horizont, als hätten all die Abgase Afrikas Giraffen zu gigantischen Riesen mutieren lassen. Straßenarbeiter, schwitzende Handlanger und Betongießer, lärmende Presslufthämmer und Teermaschinen, die Straßen erweiterten und Brücken sanierten.
    »Kennst du Bill Shankly?« Marc fuhr bei Hellrot über eine Kreuzung.
    »Nein.«
    »Der legendäre Fußballmanager von Liverpool. Er hat so etwas gesagt wie: ›Es gibt Leute, die

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