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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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    »Was ist dann passiert?«
    »Nichts. Es vergingen ein paar Wochen. Die anderen Flüchtlinge durften bleiben. Aber dann …«
    Er hatte Tränen in den Augen. Rosenberg wurde Niels immer sympathischer.
    »Aber dann habe ich eines Tages den hier bekommen.« Er legte den Brief auf den Schreibtisch.
    »Was ist das?«
    »Machen Sie ihn auf.«
    Es waren Bilder. Fotografien. Niels hielt die Luft an. Verletzte, schwer misshandelte Hände, an einen Tisch gefesselt. Ein nackter, an den Armen aufgehängter Mensch mit einem Sack über dem Kopf. Niels musste an Jesus denken.
    Das letzte Bild zeigte einen blutigen Leichnam, der mit dem Kopf nach unten an einer Art Fleischerhaken hing. Niels brachte kein Wort über die Lippen.
    »Khaled Hadi. Sechs Wochen, nachdem ich ihn ausgeliefert hatte. Diese Fotos sind heimlich in einem Gefängnis im Jemen gemacht worden.«
    Niels schob die Bilder wieder in den Umschlag zurück.
    »Der Jemen ist eines der schlimmsten Länder, was Folter angeht. Die meisten mittelalterlichen Folterknechte wären wohl neidisch auf den jemenitischen Erfindungsreichtum gewesen. Strom an den Hoden. Schläge mit Kabeln. Untertauchen in Eiswasser. Sie zwingen Menschen, Nahrung mit zerriebenem Glas zu essen. Ich habe einen Arzt gefragt … mich genau erkundigt.«
    Niels sah ihn an. Er hatte einen Arzt gefragt. Hatte jede Qual des Kreuzweges genauestens durchschritten.
    »Wie ist er im Jemen gelandet?«
    Der Pastor zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Die dänischen Behörden haben den Fall unter Verschluss gehalten. Kein Journalist hat je davon erfahren. Der Polizeiliche Nachrichtendienst hat sich still und heimlich damit entschuldigt, dass er an ein anderes Land, in dem er gesucht wurde, ausgeliefert worden war und von diesem Land in den Jemen abgeschoben worden sein musste. Sie wollten nicht sagen, um welches Land es sich handelte, aber es werden wohl die USA gewesen sein, die ja offiziell keine Folter anwenden. Juristisch gesehen haben sie sich die Hände nicht schmutzig gemacht. Aber es gibt da reichlich Grauzonen. Was nützt es, nicht an Länder auszuliefern, die foltern, wenn diese Länder die Betroffenen dann in andere Länder abschieben, die sich nicht an diese Vorgaben halten? Der erste Ort ist dann ja nur eine Transportetappe.«
    Niels nickte.
    »Wer hat Ihnen die Bilder geschickt?«
    »Abdul Hadi. Es war ihm wichtig, dass ich wusste, für was ich Schuld auf mich geladen hatte. Ich sollte Khaleds Schicksal kennen.«
    »Dann wollte Abdul Hadi Sie aus Rache töten?«
    »Aus Rache. Ja.«
    Eine Pause entstand. Der Pastor warf einen Blick auf die Whiskyflasche. Niels sah, dass er einen inneren Kampf ausfocht. Er hätte gern noch mehr, durfte aber nicht. Diesen Kampf kannte Niels.
    »Ich glaube nicht, dass Khaled etwas mit dem Mord an Daniel Pearl zu tun hatte. Er war nie in Afghanistan gewesen. Er war ein netter, junger Mann.« Rosenberg sah Niels in die Augen. »Ich habe mein Urteilsvermögen einfach über Bord geworfen.«
    Rosenberg verlor den Kampf und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Zum ersten Mal bemerkte Niels die kleinen, roten Adern in der Haut unterhalb der Augen.
    Unten vom Kirchplatz drangen Stimmen herauf. Die Polizisten unterhielten sich. Niels musterte den Pastor, und vor seinem inneren Auge vermischten sich die Bilder miteinander: Abdul Hadi. Die Flucht durch die Fußgängerzone. Die rätselhaften Zeichen auf den Rücken der Opfer. Die Fälle. Sarah Johnsson, Vladimir Zjirkov. Die guten Menschen.
    Er hatte nichts, keine Anhaltspunkte. Das alles ergab keinen Sinn. Die Stimme des Pastors unterbrach seine Gedanken. Hatte er ihn etwas gefragt?
    »Und deshalb bin ich keiner der sechsunddreißig Gerechten.«
    Niels lächelte freundlich. »Das ist vermutlich nicht die Theorie, auf die Interpol die meisten Ressourcen verwendet.«
    »Vielleicht sollte sie das aber sein.«
    »Ja, vielleicht sollte sie das.«
    Rosenberg stand auf. Er hatte sich alles von der Seele geredet.
    »Mein Job ist das Gegenteil von Ihrem«, sagte er.
    »Wieso das?«
    »Sie müssen Beweise dafür finden, damit die Menschen Ihnen glauben.«
    Niels lächelte. »Und Sie müssen die Menschen dazu bringen, ohne Beweise an etwas zu glauben.«
    Rosenberg nickte.
    Niels wollte noch etwas sagen, um dem Pastor etwas von seiner Last von den Schultern zu nehmen. »Vielleicht hatte der Geheimdienst Recht?«, sagte er. »Vielleicht haben Sie das Richtige getan?«
    Rosenberg seufzte tief. »Wer weiß schon, was das Richtige

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