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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Please. Can I be alone?«
    Betreten verschwand er wieder. Diese Beharrlichkeit und Direktheit passten gar nicht zu ihm, das wusste sie genau. Es war ja nicht seine Schuld, dass sie einen Mann geheiratet hatte, der sie so sehr an ihren Vater erinnerte. Wie das System funktionierte, fragte Kathrine sich schon lange: Sie hatte noch keine Antwort gefunden, wohl aber zu akzeptieren gelernt, dass erwachsene Menschen häufig mit einem Partner an ihrer Seite endeten, der eine Kopie ihrer Mutter oder ihres Vaters war – die Probleme, die sie damals mit dem jeweiligen Elternteil hatten, inklusive. Hannah hatte Schwierigkeiten mit ihrem Vater und seiner Schwermut gehabt.
    Anfänglich jedoch hatte Niels sie nicht im mindesten an ihren Vater erinnert. Er war zwar ruhig, aber in schwarze Löcher war er nie gefallen. Damals hatten sie viel gelacht. Immer. Und welche Ambitionen er gehabt hatte. Oder hatte sie sich das nur eingebildet?
    Kathrine stellte sich die immer gleiche Frage: Haben wir Menschen ein unbekanntes Sinnesorgan, das imstande ist, den Partner auszuwählen, der später im Leben dem Vater oder der Mutter zu ähneln beginnt? Oder bringen wir den Partner dazu, sich so zu verhalten – konnte man jeden in diese Rolle drängen?
    Kathrine sah aus dem Fenster. Die Schaumkrönchen auf den Wellen sahen wie Champagnerperlen aus. Eine SMS von Marc kam. Sorry . Sie drehte sich um und sah ihn betrübt und irgendwie implodiert inmitten des Großraumbüros stehen. Dann klingelte das Telefon. Niels calling , stand auf dem Display.
    »Ich habe gerade an dich gedacht«, sagte sie.
    »Und was hast du gedacht?«
    »Das willst du nicht wirklich wissen.«
    Sie lächelte Marc zu. Er sah gut aus, und seine sexuelle Anziehungskraft war noch um ein Vielfaches größer, wenn sie Niels am Telefon hatte. Aber der Gedanke an Marc als Liebhaber machte sie nicht an.
    »Hör mal. Der Grund, weshalb ich nicht geflogen bin …«
    Sie fiel ihm ins Wort: »Du, ich glaube, das habe ich wirklich verstanden.«
    »Nein, das hast du nicht. Ich arbeite an einem Fall. Einem Mordfall. Total kompliziert.«
    Er machte eine kurze, dramatische Pause, bevor er zu erzählen begann. Von den Morden, den Tatorten, den Zahlen auf dem Rücken. Kathrine hörte schweigend zu. Auch als er von der Theorie sprach, dass es einen noch nicht rapportierten Mord in Khayelitsha gab. Ein Township außerhalb von Kapstadt. Er zögerte. Wartete. Sagte nichts von Hannah.
    »Hast du die Abteilung gewechselt?«, fragte sie schließlich.
    »Nein, so kann man das nicht sagen. Zuerst war das nur eine Routinesache. Ich sollte potenzielle dänische Opfer über die Gefahr unterrichten, die möglicherweise bestand, und bin so in den Fall reingerutscht.«
    »Und deshalb bist du nicht gekommen?«
    Niels dachte nach. Er hätte so gern mit ›Ja‹ geantwortet. Ihr gesagt, dass sein Ehrgeiz, seine Ambitionen ihm keine andere Wahl gelassen hatten. Das würde ihr gefallen. Sie hatte oft versucht, seinen Ehrgeiz anzustacheln.
    »Ich glaube schon.«
    »Du glaubst ?«
    »Ich weiß nicht, worauf das Ganze hinausläuft, Kathrine, aber ich spüre, dass es wichtig ist. Und ich brauche deine Hilfe.«
    »Du willst, dass ich nach Khayelitsha fahre?«
    »Genau.«
    »Niels, das ist nicht ungefährlich für eine weiße Frau. Khayelitsha ist einer der größten Slums Südafrikas. Und das will wirklich etwas heißen.«
    Niels schwieg. Wenn etwas bei Kathrine überhaupt nichts nützte, dann der Versuch, sie zu irgendetwas zu überreden. Sie musste sich selbst überzeugen.
    Das Schweigen war alles andere als angenehm. Es wunderte ihn, dass sie ohne weitere Einwände plötzlich sagte: »Okay.«

50.
    50.
    Vesterbrogade, Kopenhagen
    Ein kleines Stück China hatte sich zwischen zwei Kleiderläden auf der Vesterbrogade gedrängt.
    »Restaurant Golden Bamboo « war ein etwas hochtrabender Name für die wenigen Plastiktische, die kleine, offene Küche und vor allem für den unschönen Aufkleber, den die Besitzer mit einer Plastikpalme zu verstecken versuchten. Verpflichtung zur Teilnahme am Kurs Nahrungsmittelhygiene hatte der behördlich bestellte Gutachter mit rotem Kugelschreiber in fahriger Schrift darauf vermerkt. Niels schob den Kassettenrekorder unter seine Jacke, um ihn vor dem Schneetreiben zu schützen, und trat in die Wärme. Dass Asiaten freundliche Menschen seien, hatte Niels mal gehört, aber das musste bei diesen hier in Vergessenheit geraten sein, denn in

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