Die Ausgelieferten
würden und dass eine Hungersnot herrschte. Korrespondenten aus dem Westen hätten keine Möglichkeit, sich ungehindert zu informieren, die Russen hätten einen eisernen Vorhang geschaffen, der nicht zu durchbrechen sei. Über die Lage in Estland, Lettland und Litauen hieß es in den Briefen … und auch mündlich erfuhren … dass eine Massendeportation in die Sowjetunion im Gang sei, dass alle Legionäre und Polizisten entweder erschossen worden seien oder in Zuchthäusern oder Gefängnissen säßen. Man teilte uns auch mit, dass die Engländer in Belgien eine Reihe baltischer Soldaten ausbildeten und dass sie gemeinsam mit ihnen gegen die Sowjetunion und für eine Wiederherstellung des ehemaligen Lettlands kämpfen wollten. Alle diese Meldungen sowie die Tatsache, dass unser Lager mit Hunden bewacht und durch Scheinwerfer angestrahlt wurde, ferner der Umstand, dass unsere Wachmannschaft sich mit der Bitte, uns nicht auszuliefern, an die schwedische Regierung wandte, ließ unsere Erregung und Verzweiflung immer größer werden, so dass wir bei der Nachricht von der bevorstehenden Auslieferung sofort ein Streikkomitee unter Leitung von Dr. Eichfuss bildeten, das den Hungerstreik ausrief.«
Leutnant Bernhards … (unverständlicher Name, vermutlich Celms): »… bin Bürger Sowjetlettlands und 1902 in Riga geboren. (– – –) Um den 18. November herum veröffentlichten die lettischen Zeitungen in Schweden verschiedene Artikel über Staatsfeinde Lettlands und über die dort herrschenden unerträglichen Zustände. Schwedische Zeitungen berichteten über Sendungen von Radio Reval, in denen es geheißen haben sollte, die schwedische Regierung wolle uns an die Sowjetunion ausliefern. Diese Nachricht sei mit großer Freude aufgenommen worden, da man dann die Staatsfeinde vor Gericht stellen und streng bestrafen könne. Die Mehrzahl der schwedischen Pressestimmen betrachtete dies als eine Tragödie; sie bekundeten uns ihr Mitgefühl und ihr Bedauern. In den Kirchen wurden viele Gottesdienste abgehalten … für uns … an uns … sogar um zwei Uhr nachts … offiziellen Gesprächen ließen die Schweden uns wissen … dass … Hungerstreik beginnen sollte, dessen Beginn wir auf den 22. November festsetzten. (– – –) man brachte uns in verschiedene Krankenhäuser … nur schwedische Pastoren, die in deutscher Sprache predigten, erinnerten uns ständig daran, dass nur … uns würde retten können.«
Hauptmann Ernests Kessels: »Gleich nach meiner Einlieferung in das schwedische Lager begann die schwedische Lagerleitung, uns vorsichtig über die Verhältnisse in der Sowjetunion, besonders über die Lebensumstände in Lettland, aufzuklären. Es wurde hervorgehoben, dass die Legionäre erschossen worden seien und dass der größte Teil der baltischen Bevölkerung nach Sibirien deportiert würde. Die lettischen Zeitungen berichteten, dass alle Lebensmittelvorräte und die gesamte Ernte von den Sowjets beschlagnahmt worden seien und dass es im kommenden Winter folglich zu einer Hungerkatastrophe größten Ausmaßes kommen müsse. Die schwedischen Zeitungen berichteten in ähnlicher Aufmachung von einer Plünderung Österreichs durch die Russen; dort und in Ungarn sollte alles Vieh abtransportiert worden sein; die Lage in diesen Ländern wurde als hoffnungslos geschildert. Was die Balten betraf, so betonte Hellman, dass die schwedische Regierung nicht gedenke, zwischen Balten und Deutschen zu unterscheiden. (– – –) Die schwedischen Pfarrer besuchten uns im Lager. Sie beteten für uns und baten den Allmächtigen, unser Schicksal abzuwenden. Dies alles im Verein mit der Agitation in der Presse schuf eine Atmosphäre, die uns alles glauben ließ, was man uns erzählte. Kurz darauf riet man uns, einen Hungerstreik zu beginnen; man wollte damit der schwedischen Regierung die Möglichkeit geben, das mit der Sowjetunion getroffene Abkommen aufzuheben. Die Wachmannschaften wurden verstärkt. Zuletzt kamen auf fünfhundert Internierte tausendsiebenhundert Wachsoldaten. Die Scheinwerfer und die Hunde und die Propaganda schufen eine Stimmung, die in vielen Fällen zu Selbstverstümmelungen und Selbstmorden führte.«
Oberstleutnant Karlis Gailitis: »Nachdem wir erfahren hatten, dass unsere Heimreise in die Sowjetunion kurz bevorstand, riet uns die schwedische Lagerleitung, ein Memorandum ans Außenministerium zu richten. Wir ernannten einen Vertrauensmann, der die Übergabe des Memorandums überwachen sollte. Die Idee,
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